4.6. Destabilisierung von sich schnell bewegenden Blockgletschern

Einige aktive Blockgletscher bewegen sich manchmal mit ungewöhnlich hohen Geschwindigkeiten. Sie können dann in eine instabile Phase kommen, die sich in einer erheblichen Veränderung ihrer Form äussern kann.

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Zusätzlich zur stetigen Beschleunigung der letzten Jahrzehnte (siehe Factsheet Permafrost 4.5) haben einige Blockgletscher regelrechte Krisen in ihrer Aktivität (Instabilitätsphasen) gezeigt. Infolge des Temperaturanstiegs im Permafrost wurden für einige Blockgletscher erhebliche Oberflächenbewegungen (manchmal mehr als 5 m pro Jahr!) und sogar Destabilisierungen der talwärts gelegenen Bereiche beobachtet. Mehrere sichtbare Anzeichen kennzeichnen einen instabilen Blockgletscher: Bildung von Längs- oder Querspalten, Auftreten von feinkörnigen Sedimenten an der Oberfläche usw. (Abb. 1 & 2). Einige Beispiele von instabilen Blockgletschern werden im Folgenden vorgestellt.

  • Der Grüobtal Blockgletscher im Turtmanntal (Wallis) beschleunigte sich zwischen 1975 und 1993 stetig, mit Geschwindigkeiten zwischen 2 m/Jahr (Mitte und unterer Bereich) und 5 m/Jahr (Front). Zwischen 1993 und 2001 verlor der untere Teil durch die Öffnung tiefer Spalten (12 m tief) und das Absacken des Blockgletschers jeglichen Zusammenhalt. Insgesamt rückte die Front zwischen 1975 und 2001 um 60 Meter vor, hauptsächlich zwischen 1993 und 2001 (Abb. 3 & 4).
  • Ab 2006 ermöglichten Studien, die auf dem grossflächigen Einsatz von satellitengestützter Radarinterferometrie (InSAR) basieren (Abb. 5), auf regionaler Ebene, insbesondere im Mattertal (Abb. 6), weitere Fälle der Destabilisierung von Blockgletschern nachzuweisen. Detaillierte Analysen haben in der Folge den zeitlichen Ablauf dieser Instabilitätsphasen verdeutlicht. Wie der Grüob Blockgletscher soll auch der Grabengufer Blockgletscher oberhalb von Randa (Mattertal) seine instabile Phase vor den 1980er-Jahren begonnen haben, mit einem aussergewöhnlichen Höhepunkt um 2010, als die Geschwindigkeiten an der Front 30 cm pro Tag (>100 m/Jahr) erreichten. Während dieser Zeit war die Erosion an der Front des Blockgletschers selbst im Winter intensiv (Abb. 7 & 8). Ab 2012 nahmen die Geschwindigkeiten dann ab, blieben aber für einen Blockgletscher immer noch sehr hoch (durchschnittlich ca. 2 cm pro Tag bzw. 7 Meter pro Jahr).
  • Die Blockgletscher Furggwanghorn (Turtmanntal), Tsaté (Moiry, Val d’Anniviers) und Petit-Vélan (Region Grosser Sankt Bernhard) (Abb. 9) zeigten Anfang der 1990er-Jahre erste Anzeichen einer Destabilisierung. Der Petit-Vélan Blockgletscher spaltete sich an einem Hangabbruch in zwei Teile (Abb. 10). Der Höhepunkt der instabilen Phase des talwärts gelegenen Teils fand 2009-2010 statt (Geschwindigkeit von 7 m/Jahr), danach nahmen die Geschwindigkeiten ab und erreichten 2017 1 m/Jahr (Abb. 11).
  • Der Tsarmine Blockgletscher erlebte 2012 eine erste Beschleunigungsphase mit Geschwindigkeiten von über 2 m/Jahr und eine starke Beschleunigung ab 2018 mit Geschwindigkeiten in einigen Bereichen von bis zu 12 m/Jahr (Abb. 12).

Die zeitliche Abfolge der wenigen oben dargestellten Fälle zeigt, dass jeder Blockgletscher während einer Instabilitätsphase seine eigene Dynamik aufweist. Die Faktoren, die dazu führen, dass ein Blockgletscher instabil wird, sind komplex und hängen insbesondere vom topografischen Kontext, in dem sich ein Blockgletscher entwickelt (Hangmorphologie, Hangabbruch), von internen Veränderungen der gefrorenen Masse (Permafrosttemperatur, Wassergehalt) und/oder von externen Faktoren (z.B. Materialüberlastung durch Felssturz) ab. Da die Anzahl an instabilen Blockgletschern seit den 1990er Jahren jedoch zunimmt, werden interne Veränderungen der Eigenschaften der gefrorenen Masse infolge der Erwärmung des Permafrosts als auslösende Faktoren für die Instabilität immer wichtiger. Die Beispiele Grüob und Petit-Vélan zeigen jedoch auch, dass die Instabilitätsphase eines Blockgletschers nicht ewig dauert. Sie dauert in der Regel zwischen 20 und 30 Jahren.