Durch wiederholte Temperaturmessungen nahe der Bodenoberfläche, welche auf verschiedenen unterkühlten Schutthalden durchgeführt wurden – die längste Messreihe am Creux-du-Van begann 1997, konnte einerseits aufgezeigt werden, dass das thermische Regime zwischen den verschiedenen untersuchten Standorten sehr ähnlich ist, und andererseits, dass der entscheidende Faktor für die Entwicklung dieser Standorte die Aussenlufttemperatur während des Winters ist. Längere und sehr intensive Kälteperioden im Winter begünstigen die Bildung von Frost bis tief ins Innere der Schutthalde, wie wiederhohlte Untersuchungen mit elektrischer Widerstandstomographie am Standort Dreveneuse d’en Bas gezeigt haben (siehe Factsheet Permafrost 5.2). Umgekehrt tragen die Aussenlufttemperaturen im Sommer sowie die Höhe der Schneedecke nur sehr wenig zur Entwicklung des Temperaturregimes von belüfteten, unterkühlten Schutthalden bei, im Gegensatz zu den grobblockigen Sedimentformationen in grosser Höhe (siehe Factsheet Permafrost 1.3). So wurde beispielsweise in den unteren Bereichen der unterkühlten Schutthalden in der Westschweiz nach dem Hitzesommer 2003 keine signifikante Erwärmung des Untergrunds beobachtet (Abb. 1). Im Gegensatz dazu erwärmten sich die mittleren jährlichen Bodentemperaturen in den unteren Bereichen der unterkühlten Schutthalden nach dem milden Winter 2006/2007 um mehr als 1°C (Abb. 1).
Am Fuss der Schutthalde von Dreveneuse d’en Bas (Abb. 2) konnte in den Jahren 2004-2006 das Auftreten von geringmächtigem, temperiertem Permafrost (0°C) durch Bohrlochmessungen nachgewiesen werden. Ab 2007 taute dieser auf und bildete sich schliesslich ab 2010 infolge der sehr kalten Winter 2009-2010 erneut (Abb. 3). Seit 2013 ist in den Bohrlöchern dieser Schutthalde nur noch saisonaler Frost zu beobachten. Die Dynamik des gefrorenen Bodens in der Schutthalde von Dreveneuse d’en Bas unterscheidet sich somit stark vom Hochgebirgspermafrost. Er kann als «kurzfristiger azonaler Permafrost» (auf Russisch auch «pereletok» genannt) betrachtet werden, dessen Geometrie sich in Abhängigkeit der Aussenlufttemperaturen im Winter von Jahr zu Jahr stark zu verändern scheint.
Fig. 1 – Evolution de la température moyenne annuelle de l’air (MAAT) et de la surface du sol (MAGST) dans différents éboulis de Suisse romande. Noter la baisse relative des températures dans la partie basse de l’éboulis froid du Creux-du-Van durant l’été 2003, ainsi que la hausse généralisée des températures du sol dans les parties basses des éboulis durant l’hiver doux 2006-2007. La température du 1er janvier 2003 correspond à la moyenne entre le 1er janvier 2002 et le 1er janvier 2003 (source : Morard, 2011).
Abb.1: Entwicklung der mittleren jährlichen Lufttemperatur (MAAT) und der Bodenoberflächentemperatur (MAGST) in verschiedenen Schutthalden der Westschweiz. Beachten Sie den relativen Temperaturrückgang im unteren Teil der unterkühlten Schutthalde Creux-du-Van Van im Sommer 2003 sowie den allgemeinen Anstieg der Bodentemperaturen in den unteren Teilen der Schutthalde im milden Winter 2006-2007. Die Temperatur am 1. Januar 2003 entspricht dem Durchschnitt zwischen dem 1. Januar 2002 und dem 1. Januar 2003.
Fig. 2 – Modèle de circulation d’air en hiver et de formation d’un réservoir de froid pour l’éboulis de Dreveneuse d’en Bas, basé sur les données thermiques de surface et de forages, et sur la répétition de mesures de tomographie électrique. Durant l’hiver, la zone de forte résistivité électrique grandit en direction de l’amont de l’éboulis, de façon d’autant plus marquée que les températures atmosphériques hivernales sont basses. Cet effet peut s’interpréter comme la taille du réservoir de froid se développant dans l’éboulis (source : Morard 2011).
Abb.2: Modell der Luftzirkulation im Winter und der Bildung eines Kältereservoirs für die Schutthalde von Dreveneuse d’en Bas, basierend auf Temperaturmessungen an der Oberfläche und in Bohrlöchern sowie wiederhohlten Untersuchungen mit elektrischer Widerstandstomographie. Im Winter wächst die Zone mit hohem spezifischem elektrischem Widerstand in Richtung des oberen Teils der Schutthalde, und zwar umso stärker, je niedriger die winterlichen Lufttemperaturen sind. Dieser Effekt kann als Grösse des Kältereservoirs interpretiert werden, das sich in der Schutthalde entwickelt.
Fig. 3 – Evolution des températures moyennes journalières du sol mesurées à différentes profondeurs dans les forages F1 et F2 de l’éboulis froid de Dreveneuse d’en Bas. Des conditions de pergélisol tempéré (encadrés roses sur la figure) ont été observées épisodiquement entre 9 et 12 mètres de profondeur au milieu de l’éboulis (forage F1) et entre 2 et 3 mètres de profondeur au bas de l’éboulis (forage F2). Localisation des forages sur la figure précédente. Données actualisées consultables sur le site du groupe de recherche Géomorphologie alpine de l’UNIFr.
Abb.3: Entwicklung der durchschnittlichen täglichen Bodentemperaturen, gemessen in verschiedenen Tiefen der Bohrlöcher F1 und F2 der unterkühlten Schutthalde von Dreveneuse d’en Bas. Temperierte Permafrostbedingungen (rosa Kästchen in der Abbildung) wurden episodisch in 9 bis 12 Metern Tiefe in der Mitte der Schutthalde (Bohrung F1) und in 2 bis 3 Metern Tiefe am unteren Ende der Schutthalde (Bohrung F2) beobachtet. Lage der Bohrlöcher siehe Abb. 2. Aktualisierte Daten können auf der Website der UNIFRForschungsgruppe für alpine Geomorphologie abgerufen werden.