b) Temperaturentwicklung zwischen 10 und 20 Metern Tiefe
Die Dicke der Auftauschicht reagiert (je nach Eisgehalt) relativ schnell auf atmosphärische Bedingungen, während das thermische Verhalten des Permafrostkörpers eine hohe Trägheit aufweist (langsame Temperaturveränderungen). Man geht überdies davon aus, dass die aktuellen Temperaturen des alpinen Permafrosts die Bedingungen am Ende der Kleinen Eiszeit widerspiegeln könnten.
Schwankungen der Permafrosttemperatur treten in der Tiefe mit zunehmender Reaktionszeit und abnehmender Amplitude auf. So dauert es etwa 6 Monate, bis die an der Oberfläche aufgenommene Energie durch Konduktion in 10 m Tiefe eindringt (Abb. 1). In dieser Tiefe werden die kurzfristigen Schwankungen der an der Oberfläche gemessenen Temperaturen weitgehend herausgefiltert. Die Kurven der zeitlichen Temperaturschwankungen weisen daher mehr oder weniger sinusförmige Verläufe auf. Aufgrund dieser Verzögerung werden in einer Tiefe von 10 Metern die Höchsttemperaturen im Winter und die Tiefsttemperaturen im Sommer erreicht. Ab einer Tiefe von 20 Metern sind die Temperaturschwankungen noch geringer, so dass sich mittelfristige Trends zur Erwärmung oder Abkühlung des Permafrosts ablesen lassen (Abb. 2 & 3).
Die ersten Bohrungen im Gebirgspermafrost sind erst vor kurzem erfolgt, die älteste stammt aus dem Jahr 1987. Auch wenn die Messreihen weniger lang sind als bei Gletschern, lassen sich dennoch Anzeichen für eine Erwärmung des alpinen Permafrosts feststellen. So hat sich der Untergrund im Murtèl-Corvatsch Blockgletscher (Engadin, GR) zwischen 1988 und 2015 in einer Tiefe von 11,6 m um etwa 1 °C erwärmt (Abb. 2). Dieser Temperaturanstieg in der Tiefe ist jedoch nicht linear, da die jährlichen Schwankungen relativ gross sind. Dagegen scheint sich in etwa 20 m Tiefe ein deutlicherer Trend abzuzeichnen, wo die Temperatur im Murtèl-Corvatsch Blockgletscher in 30 Jahren um 0.55°C angestiegen ist (Abb. 3).
c) Krümmung des Temperaturprofils (Reaktionszeit: Jahre bis Jahrzehnte)
Befindet sich der Permafrost im Gleichgewicht mit den vorherrschenden Klimabedingungen an der Bodenoberfläche (MAGST), ist sein vertikales Temperaturprofil mehr oder weniger linear (siehe Factsheet Permafrost 3.1). Bei einer Erwärmung (oder Abkühlung) der Oberfläche (MAGST) breitet sich der Wärmeüberschuss (oder das Wärmedefizit) allmählich in die Tiefe aus, wodurch das ursprüngliche Temperaturprofil gekrümmt wird (Abb. 4).Die Temperaturprofile aus verschiedenen Bohrlöchern in den Alpen (PACE- und PERMOS-Netzwerke) zeigen, dass der Permafrost derzeit nicht im Gleichgewicht mit den klimatischen Bedingungen an der Erdoberfläche ist. Die meisten heute gemessenen Temperaturverläufe im Untergrund zeigen daher das für eine Erwärmung des Permafrosts typische Bild einer Begradigung des Temperaturprofils (Abb. 4 & 5). Der obere Teil des Temperaturprofils krümmt sich in Richtung 0 °C. Bis zu einer Tiefe von 10-50 Metern ist der Temperaturgradient somit kleiner als darunter (d. h. < 1-3°C pro 100 m) oder sogar negativ. Zwischen der gemessenen und der anhand von ungestörten Profilen geschätzten Oberflächentemperatur liegt ein Unterschied von 0,5 bis 1°C. Diese Differenz wird als Zeichen der Erwärmung des Untergrunds während des letzten Jahrhunderts interpretiert.
d) Vertikale Verschiebung der Permafrostbasis (Reaktionszeit: Jahrzehnte, Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende).
Die letzte Ausgleichsphase führt zu einem Auftauen des Permafrosts von unten, was zu einer Abnahme seiner Gesamtdicke führt (Abb. 4). Eine solche Profilveränderung scheint bei keiner der tiefen Bohrungen in den Alpen begonnen zu haben.
Fig. 1 – Représentation du déphasage thermique sur un graphique montrant la température en abscisse et la profondeur en ordonnée. Évolution des températures minimales et maximales de l’année hydrologique 2014-2015, et des températures du 1er mars (hiver) et du 1er septembre (été) dans le pergélisol du glacier rocheux de Mùrtel-Corvatsch. Le déphasage de 6 mois entre les températures de la surface et à 10 m de profondeur est clairement visible.
Abb.1: Darstellung der thermischen Phasenverschiebung in einem Diagramm, welches die Temperatur auf der x-Achse und die Tiefe auf der y-Achse zeigt. Entwicklung der minimalen und maximalen Temperaturen im hydrologischen Jahr 2014-2015 sowie der Temperaturen am 1. März (Winter) und 1. September (Sommer) im Permafrost des Mùrtel-Corvatsch Blockgletschers. Die Phasenverschiebung von 6 Monaten zwischen den Temperaturen an der Oberfläche und in 10 m Tiefe ist deutlich zu erkennen.
Fig. 2 – L’évolution des températures du pergélisol à environ 10 m de profondeur sur quelques sites PERMOS met en évidence trois phases de réchauffement avec des interruptions en 1995/1996, en 2002 et en 2005-2006. Le type de site, l’altitude et la profondeur exacte à laquelle a eu lieu la mesure sont chaque fois indiqués entre parenthèses.
Abb.2: Die Entwicklung der Permafrosttemperaturen in etwa 10 m Tiefe an einigen PERMOS-Standorten zeigt drei Phasen der Erwärmung mit Unterbrechungen in den Jahren 1995/1996, 2002 und 2005-2006. Der Standorttyp, die Höhe über Meer des Standorts und die genaue Tiefe, in der die Messung stattfand, sind jeweils in Klammern angegeben.
Fig. 3 – L’évolution des températures du pergélisol à environ 20 m de profondeur sur quelques sites PERMOS. Une tendance au réchauffement de quelques dixièmes de degrés s’observe sur la plupart des pergélisols suisses entre 2005 et 2017. Le type de site, l’altitude et la profondeur exacte à laquelle a eu lieu la mesure sont chaque fois indiqués entre parenthèses.
Abb.3: Die Entwicklung der Permafrosttemperaturen in etwa 20 m Tiefe an einigen PERMOS-Standorten. Zwischen 2005 und 2017 ist für die meisten Schweizer Permafroststandorte ein Erwärmungstrend von einigen Zehntel Graden zu beobachten. Der Standorttyp, die Höhe über Meer des Standorts und die genaue Tiefe, in der die Messung stattfand, sind jeweils in Klammern angegeben.
Fig. 4 – Modèles d’évolution du profil thermique vertical d’un pergélisol.
Abb.4: Entwicklungsmodelle für das vertikale Temperaturprofil eines Permafrosts.
Fig. 5 – Redressement du profil thermique vertical du pergélisol du glacier rocheux de Mùrtel-Corvatsch entre 4 et 20 mètres de profondeur.
Abb.5: Begradigung des vertikalen Permafrost-Temperaturprofils des Mùrtel-Corvatsch Blockgletschers zwischen 4 und 20 Metern Tiefe.