4.1. Eine besondere Form: der Blockgletscher

Ein Blockgletscher ist eine mit Eis übersättigte Ansammlung von Blöcken, die sich langsam talwärts bewegt. Er stellt die typischste Form des Kriechens von Lockermaterial unter Permafrostbedingungen im alpinen Raum dar.

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Permafrost in Gebieten mit geringer Neigung (< 40°) – meist bestehend aus lockerem Sediment – wird stark von den Temperaturen in den Sommermonaten und vor allem von den Schneeverhältnissen beeinflusst. Da diese Art von Gelände während 7 bis 10 Monaten im Jahr mit Schnee bedeckt ist, sind das frühzeitige und starke Einschneien zu Beginn des Winters (was ein Auskühlen des Untergrunds verhindert, siehe Factsheet Permafrost 1.3) sowie die Dauer der Schneebedeckung im Frühsommer (späte Schneeschmelze bietet Schutz vor Sonneneinstrahlung und Hitze) Schlüsselfaktoren für die Entwicklung des Permafrosts.

Im Gegensatz zu (steilen) Felswänden (siehe Factsheet Permafrost 3.3) kann der Eisgehalt im Gelände bestehend aus Lockermaterialansammlungen (Blöcke, Kies, Sand usw.) besonders hoch sein. Wenn das Gefälle es zulässt, kommt es zu einer langsamen und kontinuierlichen Verformung des Gemischs aus Eis und Lockermaterial, was zu hangparallelem und talwärts gerichtetem Kriechen führt. Blockgletscher sind die sichtbarsten Formen des Permafrostkriechens. Ihre Entstehung erfordert eine ausreichende Zufuhr von Schutt, der meist entweder aus Sturzprozessen aus einer Felswand oder einem Felshang (talus-connected rock glacier), aus Moränen oder dem Gletschervorfeld (glacier forefield-connected rock glacier) (Abb. 1) oder seltener aus der in-situ-Verwitterung des anstehenden Gesteins stammt.

Ein Blockgletscher sieht aus wie ein „Blockstrom“, der sich langsam talwärts bewegt (siehe Factsheet Permafrost 4.2) und dabei die Form einer Zunge (Abb. 2) oder eines Lappens annimmt. Im Allgemeinen zeichnet er sich aus durch:

  • ein chaotisches Erscheinungsbild, manchmal mit Stauchwülsten und Furchen an der Oberfläche, deren Entstehung auf unterschiedliche Bewegungen, einem kompressiven Fliessen oder zeitlichen Schwankungen in der Zufuhr von Gesteinsschutt zurückzuführen sein kann (Abb. 3);
  • eine steile und instabile Front (Abb. 4);
  • eine Sortierung des Materials, wobei die groben Bestandteile an der Oberfläche bleiben (Abb. 4);
  • das Vorhandensein von Poreneis (durch Wiedergefrieren des Schmelzwassers) oder seltener von massivem, schuttbedecktem Eis;
  • eine langsame Bewegung durch Kriechen (creep) von einigen Zentimetern bis zu mehreren Metern pro Jahr (siehe Factsheet Permafrost 4.2).

Einige Blockgletscher sind polymorph, d. h. sie bestehen aus mehreren übereinanderliegenden Lappen mit unterschiedlicher Kriechaktivität (Abb. 5). Diese Polymorphie spiegelt die Entstehungsgeschichte des Blockgletschers während des Holozäns wider (siehe Factsheet Permafrost 4.4).

Es entwickeln sich auch andere Formen des Kriechens im Lockermaterial des periglazialen Bereichs (Abb. 6). Einige davon sind vom Typ «Permafrostkriechen», wie der embryonale Blockgletscher (protalus rampart). Er stellt eine initiale Form eines Blockgletschers am Hangfuss dar (Abb. 7). In höheren Lagen scheinen auch einige Felsrutschungen teilweise durch einen ähnlichen Prozess gesteuert zu werden. Solifluktionswülste (Gelifluktionswülste) hingegen sind die Folge des Kriechens von nicht gefrorenem Oberflächenmaterial (siehe Factsheet Permafrost 2.5).

Ein Blockgletscher darf nicht mit einem stark schuttbedeckten Gletscher (siehe Factsheet Gletscher 1.3) verwechselt werden. Auch wenn deren Erscheinung in der Landschaft in Form einer «Steinzunge» sehr ähnlich ist, ist ihre Zusammensetzung sehr unterschiedlich (Abb. 8 & 9). Ein Blockgletscher besteht hauptsächlich aus gefrorenem Gesteinsschutt. Im Gegensatz dazu besteht ein stark schuttbedeckter Gletscher hauptsächlich aus massivem Eis, bedeckt von einer oberflächlichen Moräne. Die Unterscheidung dieser beiden Formen ist jedoch nicht immer einfach. Es gibt auch Blockgletscher, die einen mehr oder weniger großen Anteil an massivem Gletschereis enthalten.