Permafrost in Gebieten mit geringer Neigung (< 40°) – meist bestehend aus lockerem Sediment – wird stark von den Temperaturen in den Sommermonaten und vor allem von den Schneeverhältnissen beeinflusst. Da diese Art von Gelände während 7 bis 10 Monaten im Jahr mit Schnee bedeckt ist, sind das frühzeitige und starke Einschneien zu Beginn des Winters (was ein Auskühlen des Untergrunds verhindert, siehe Factsheet Permafrost 1.3) sowie die Dauer der Schneebedeckung im Frühsommer (späte Schneeschmelze bietet Schutz vor Sonneneinstrahlung und Hitze) Schlüsselfaktoren für die Entwicklung des Permafrosts.
Im Gegensatz zu (steilen) Felswänden (siehe Factsheet Permafrost 3.3) kann der Eisgehalt im Gelände bestehend aus Lockermaterialansammlungen (Blöcke, Kies, Sand usw.) besonders hoch sein. Wenn das Gefälle es zulässt, kommt es zu einer langsamen und kontinuierlichen Verformung des Gemischs aus Eis und Lockermaterial, was zu hangparallelem und talwärts gerichtetem Kriechen führt. Blockgletscher sind die sichtbarsten Formen des Permafrostkriechens. Ihre Entstehung erfordert eine ausreichende Zufuhr von Schutt, der meist entweder aus Sturzprozessen aus einer Felswand oder einem Felshang (talus-connected rock glacier), aus Moränen oder dem Gletschervorfeld (glacier forefield-connected rock glacier) (Abb. 1) oder seltener aus der in-situ-Verwitterung des anstehenden Gesteins stammt.
Ein Blockgletscher sieht aus wie ein „Blockstrom“, der sich langsam talwärts bewegt (siehe Factsheet Permafrost 4.2) und dabei die Form einer Zunge (Abb. 2) oder eines Lappens annimmt. Im Allgemeinen zeichnet er sich aus durch:
- ein chaotisches Erscheinungsbild, manchmal mit Stauchwülsten und Furchen an der Oberfläche, deren Entstehung auf unterschiedliche Bewegungen, einem kompressiven Fliessen oder zeitlichen Schwankungen in der Zufuhr von Gesteinsschutt zurückzuführen sein kann (Abb. 3);
- eine steile und instabile Front (Abb. 4);
- eine Sortierung des Materials, wobei die groben Bestandteile an der Oberfläche bleiben (Abb. 4);
- das Vorhandensein von Poreneis (durch Wiedergefrieren des Schmelzwassers) oder seltener von massivem, schuttbedecktem Eis;
- eine langsame Bewegung durch Kriechen (creep) von einigen Zentimetern bis zu mehreren Metern pro Jahr (siehe Factsheet Permafrost 4.2).
Einige Blockgletscher sind polymorph, d. h. sie bestehen aus mehreren übereinanderliegenden Lappen mit unterschiedlicher Kriechaktivität (Abb. 5). Diese Polymorphie spiegelt die Entstehungsgeschichte des Blockgletschers während des Holozäns wider (siehe Factsheet Permafrost 4.4).
Es entwickeln sich auch andere Formen des Kriechens im Lockermaterial des periglazialen Bereichs (Abb. 6). Einige davon sind vom Typ «Permafrostkriechen», wie der embryonale Blockgletscher (protalus rampart). Er stellt eine initiale Form eines Blockgletschers am Hangfuss dar (Abb. 7). In höheren Lagen scheinen auch einige Felsrutschungen teilweise durch einen ähnlichen Prozess gesteuert zu werden. Solifluktionswülste (Gelifluktionswülste) hingegen sind die Folge des Kriechens von nicht gefrorenem Oberflächenmaterial (siehe Factsheet Permafrost 2.5).
Ein Blockgletscher darf nicht mit einem stark schuttbedeckten Gletscher (siehe Factsheet Gletscher 1.3) verwechselt werden. Auch wenn deren Erscheinung in der Landschaft in Form einer «Steinzunge» sehr ähnlich ist, ist ihre Zusammensetzung sehr unterschiedlich (Abb. 8 & 9). Ein Blockgletscher besteht hauptsächlich aus gefrorenem Gesteinsschutt. Im Gegensatz dazu besteht ein stark schuttbedeckter Gletscher hauptsächlich aus massivem Eis, bedeckt von einer oberflächlichen Moräne. Die Unterscheidung dieser beiden Formen ist jedoch nicht immer einfach. Es gibt auch Blockgletscher, die einen mehr oder weniger großen Anteil an massivem Gletschereis enthalten.
Fig. 1 – Modèle de développement de glaciers rocheux de talus d’éboulis (à gauche) et de système morainique (à droite) dans un environnement périglaciaire de montagne (adapté de Barsch, 1996).
Abb.1: Modell der Entwicklung von Blockgletschern aus Schutt-/Geröllhalden (links) und aus Moränen (rechts) in einer periglazialen Gebirgsumgebung (angepasst nach Barsch, 1996).
Fig. 2 – Le glacier rocheux de la Gemmi (Valais), un exemple classique d’un glacier rocheux formant une langue de pierre en contrebas d’une paroi rocheuse. Voir l’animation.
Abb. 2: Der Gemmi-Blockgletscher (Wallis), ein klassisches Beispiel für einen Blockgletscher mit Bildung einer Steinzunge unterhalb einer Felswand. Siehe Animation.
Fig. 3 – Partie frontale du glacier rocheux actif des Becs-de-Bosson (Vallon de Réchy, VS). En raison de vitesses de déplacement plus faibles au niveau du front que dans les secteurs situés à l’amont, des rides de compression transversales se sont développées sur le lobe secondaire L2 du glacier rocheux (les valeurs de vitesse indiquées correspondent à la vitesse moyenne de déplacement annuel de la période 2009-2019, données : UNIFR).
Abb.3: Frontbereich des aktiven Becs-de-Bosson-Blockgletschers (Vallon de Réchy, VS). Aufgrund der geringeren Kriechgeschwindigkeiten an der Front des Blockgletschers im Vergleich zu bergwärts gelegenen Bereichen (kompressives Fliessen) haben sich auf dem Sekundärlappen L2 quer verlaufende Stauchwülste gebildet (die angegebenen Geschwindigkeitswerte entsprechen der mittleren jährlichen Kriechgeschwindigkeit im Zeitraum 2009-2019, Daten: UNIFR).
Fig. 4 – Tri des matériaux et front raide du glacier rocheux actif du Laurichard (Massif du Combeynot, France).
Abb.4: Materialsortierung und steile Front des aktiven Laurichard Blockgletschers (Combeynot-Massiv, Frankreich).
Fig. 5 – Le glacier rocheux polymorphique du Steintälli dans le Mattertal se caractérise par une succession de lobes se superposant d’amont vers l’aval.
Abb.5: Der polymorphe Steintälli Blockgletscher im Mattertal zeichnet sich durch eine Abfolge von Lappen aus, die sich von oben nach unten überlagernden.
Fig. 6 – Modèle morphologique du développement d’un glacier rocheux, d’après Haeberli (1985). Le développement primaire (a) montre une forme en replat au pied d’un éboulis gelé (souvent appelé protalus rampart) portant quelques fois des cônes d’avalanches permanents. Suivant les conditions locales, de grands glaciers rocheux (c) ou une succession de glaciers rocheux (e) peuvent se former. Dans quelques cas, de petits glaciers partiellement froids peuvent exister au sommet du corps gelé fluant (d) (source : Haeberli 1985).
Abb.6: Morphologisches Modell der Entwicklung eines Blockgletschers nach Haeberli (1985). Die primäre Entwicklung (a) zeigt eine flache Form am Fuss einer gefrorenen Schutt-/Geröllhalde (wird oft als embryonaler Blockgletscher bezeichnet), an deren Oberfläche manchmal permanente Lawinenablagerungen zu finden sind. Je nach den örtlichen Gegebenheiten können grosse Blockgletscher (c) oder eine Abfolge von Blockgletschern (e) entstehen. In einigen Fällen können kleine, teilweise kalte Gletscher auf dem gefrorenen, kriechenden Blockgletscher (d) vorkommen (Quelle: Haeberli 1985).
Fig. 7 – La combe de la Tsa du Toûno (Val d’Anniviers) abrite de nombreuses formes de fluage de matériaux meubles soumis à des conditions de pergélisol. L’imposant glacier rocheux fossile végétalisé est ici recouvert par un glacier rocheux actif, et un protalus rampart est visible dans la partie aval d’un cône d’éboulis en contrebas des Pointes de Nava.
Abb.7: In der Tsa du Toûno-Talmulde (Val d’Anniviers) finden sich zahlreiche Formen des Kriechens von Lockermaterial unter Permafrostbedingungen. Der imposante, vegetationsbedeckte fossile Blockgletscher wird hier von einem aktiven Blockgletscher überlagert. Unterhalb der Pointes de Nava ist im unteren Teil eines Schuttkegels ein embryonaler Blockgletscher zu sehen.
Fig. 8 – Schéma montrant l’origine et le contenu en glace et en débris rocheux d’un glacier, d’un glacier couvert et d’un glacier rocheux (pergélisol) (source : NRG).
Abb.8: Schematisierte Abbildung des Ursprungs und des Gehalts an Eis und Gesteinsschutt eines Gletschers, eines stark schuttbedeckten Gletschers und eines Blockgletschers (Permafrost) (Quelle: NRG).
Fig. 9 – Les glacier rocheux et les glaciers couverts sont des formes différentes. A gauche : une couche de moraine superficielle recouvre la glace massive visible sur toute l’épaisseur dans le glacier couvert Im Griess (Klausenpass, Glaris). A droite : les sédiments gelés occupent tout l’épaisseur du glacier rocheux du Lac des Vaux (Verbier, Valais).
Abb.9: Blockgletscher und stark schuttbedeckte Gletscher sind unterschiedliche Formen. Links: Eine durchgängige oberflächliche Moränenschicht bedeckt das sichtbare, massive Gletschereis des stark schuttbedeckten Im Griess Gletschers (Klausenpass, Glaris). Rechts: Gefrorene Sedimente nehmen die gesamte Dicke des Lac des Vaux (Verbier, Wallis).