3.4. Permafrost in (steilen) Felswänden: der «Zement der Berge»

Permafrost in (steilen) Felswänden zeichnet sich durch einen sehr geringen Eisgehalt aus. Eis ist nur in Gesteinsrissen und Felsspalten vorhanden. Die Entwicklung der Gesteinstemperatur hat einen starken Einfluss auf die Stabilität von Felswänden in Permafrostgebieten.

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In den Alpen unterliegen Felswände oberhalb von 2.000 m ü. M. alternierenden Frost-Tau-Wechseln (siehe Kapitel 3.2). Ab 2’600 m ü. M. in nordexponierten und ab 3’600 m ü. M. in südexponierten Lagen kommt Permafrost in Felswänden nahezu kontinuierlich vor (siehe Factsheet Permafrost 3.1). Permafrost in (steilen) Felswänden zeichnet sich durch einen relativ geringen Eisgehalt aus, da nur die Risse und Spalten im Fels Eis enthalten können (Abb. 1). Dennoch spielt dieser geringe Eisgehalt eine wesentliche, wenn auch manchmal widersprüchliche Rolle für die Stabilität der Felswände.

  • Stabilisierende Rolle: Das Eis in den Rissen fungiert als «Zement der Berge«, der zerbrochene Felsstücke zusammenhält.
  • Destabilisierende Rolle: Das Wachstum von Eislinsen (siehe Factsheet Permafrost 2.4) in Gesteinsrissen kann hingegen die Erweiterung der Risse und damit die zukünftige Instabilität der Felswand beschleunigen. In diesem Fall ist die Rolle des Permafrosts eher destabilisierend und steht im Widerspruch zu seinen Eigenschaften als «Zement der Berge».

Die Stabilität von Felswänden, deren Risse mit Eis gefüllt sind, wird sehr stark von der Temperatur beeinflusst. Laborversuche zeigen, dass bei einer Temperatur der Gesteinsmassen knapp unter dem Gefrierpunkt (zwischen -1,5 und 0 °C) deren Stabilität abnimmt und die Steinschlaggefahr zunimmt (Abb. 2). Wenn kalter Permafrost temperiert wird, kommt es zu einer vorübergehenden Destabilisierung. Bereiche mit temperiertem Permafrost sind daher anfälliger für Felsstürze, während komplett eisfreie Felswände oder Felswände bei niedrigeren Temperaturen (kalter Permafrost) stabiler sind.

Aufgrund von drei Hauptprozessen wird daher ein Anstieg der Gesteinstemperatur nahe 0°C kritisch für die Stabilität einer Felswand:

  • Vor dem Schmelzen des Eises und seiner Zustandsänderung zu Wasser kann sich die Plastizität des Eises in den Rissen aufgrund des Temperaturanstiegs erhöhen. Dies wiederum erhöht die Instabilität einer Felswand.
  • Dann führt das Schmelzen des Eises in den Rissen zu einem Verlust der Haftung am Gestein.
  • Schliesslich verursacht das Vorhandensein von flüssigem Wasser, das mit dem Auftauen des Permafrosts verbunden ist, potenziell in Kombination mit dem Zufluss von Niederschlags- oder Schneeschmelzwasser, einen Anstieg des hydraulischen Drucks in den Gesteinszwischenräumen.

Im Zuge des Klimawandels könnten intensivere Niederschläge in Form von Regen (und nicht Schnee), der in die Felsspalten rinnt, zur Erwärmung des Permafrosts und zur Erhöhung des hydraulischen Drucks führen, wodurch Felsstürze begünstigt werden.

Die thermische Reaktion des Permafrosts in (steilen) Felswänden auf den Klimawandel erfolgt je nach Tiefe auf unterschiedlichen Zeitskalen. Die Auswirkungen einer Hitzewelle werden sich schnell in den ersten Zentimetern des Gesteins bemerkbar machen, während es in der Regel mehrere Monate dauert, bis sie durch Konduktion und abgeschwächt eine Tiefe von etwa 10 Metern erreicht (siehe Factsheet Permafrost 1.10).