Höhlengletscher oder Eishöhlen liegen an der Schnittstelle zwischen glazialen und periglazialen Prozessbereichen und betreffen Hohlräume, die das ganze Jahr über Eis und/oder Schnee enthalten. Es handelt sich um unterirdische Systeme, die durch eine negative Temperaturanomalie gekennzeichnet sind. In der Schweiz sind sie relativ häufig in Kalksteingebieten anzutreffen. Die Eishöhlen in Höhenlagen um 2.500 m ü. M. liegen innerhalb des Gebiets mit diskontinuierlichem Gebirgspermafrost (Abb. 1). Die Eishöhlen des Juramassivs und der Voralpen befinden sich hingegen in niedrigeren Höhenlagen, in denen die durchschnittliche jährliche Aussenlufttemperatur (MAAT) weit über 0 °C liegt.
Klassischerweise unterscheidet man je nach Dynamik der Luftzirkulation zwei Hauptkategorien von Eishöhlen: statische und dynamische Eishöhlen. Das in der Höhle vorhandene Eis kann entweder durch das Wiedergefrieren von Sickerwasser oder durch die Umwandlung von Schnee in Eis entstehen. In der Realität findet man oft gemischte Regime, die komplexer sind als die beiden unten dargestellten Fälle.
- Statische Eishöhle in einer Kaltluftfalle und/oder Schneefalle: Hohlräume mit einem oder mehreren Eingängen, die zum Himmel hin offen sind, stellen Kaltluftfallen und/oder Schneefallen dar (Abb. 2). Diese Art von Eishöhle zeichnet sich durch saisonal unterschiedliche Prozesse aus (Abb. 3). Im Winter ist das System offen, wobei ein Luftaustausch durch Konvektion stattfindet und kalte Luft in die Höhle eindringt. Je nach Geometrie der Eingänge kann sich auch Schnee in der Höhle ansammeln (Abb. 4). Im Frühling kann Schmelzwasser bis in die Höhle versickern und dort wieder gefrieren (Abb. 5). Parallel dazu wird der Schnee, der sich im Winter am Boden der Höhle angesammelt hat, nach und nach zu Eis. Während des Sommers ist das System geschlossen: Die im Winter gespeicherte Kaltluft ist dichter als die Aussenluft. In der Höhle kommt es zu einer thermischen Schichtung und der Bildung einer Kaltlufttasche, die das Abschmelzen des Eises begrenzt (Abb. 2). Ausserdem bleiben die kalten Temperaturen während des Sommers dank der latenten Wärme (siehe Factsheet Permafrost 2.1) erhalten, die durch das Schmelzen eines Teils des im Winter gefallenen Schnees entsteht. Im Juramassiv sind statische Eishöhlen wie die von St-Livres (Waadtländer Jura) und Monlési (Neuenburger Jura) auch durch den Wald, der fast immer die Umgebung der Höhle bedeckt, vor Sonneneinstrahlung geschützt (Abb. 6).
- Dynamische Eishöhle mit Kamineffekt: Diese Art von Eishöhle hat mehrere Eingänge auf unterschiedlicher Höhe, die eine Luftzirkulation durch Kamineffekt ermöglichen (Abb. 7). Im Winter wird aufgrund des Aufsteigens der wärmeren Luft aus der Höhle kalte Luft am unteren Eingang der Höhle angesaugt, wodurch die Höhlenwände abgekühlt werden und ein Kältereservoir entsteht. Im Sommer ist der Prozess umgekehrt und warme Luft wird von den oberen Eingängen angesaugt, da die kalte Luft durch die Schwerkraft ins Innere der Höhle abfliesst. Infolgedessen werden in Bezug auf die durchschnittliche jährliche Lufttemperatur (MAAT) zwei Temperaturanomalien (unten kalt, oben warm) beobachtet. Wasser, das durch die Risse im Gestein sickert, kann gefrieren, wenn es in den unterkühlten unteren Teil der Höhle gelangt. In der Schweiz fällt z. B. der Bereich nahe dem unteren Eingang des Gouffre des Diablotins (Freiburger Voralpen) in die Kategorie einer Eishöhle des dynamischen Typs (Abb. 8).
Auch wenn jede Eishöhle ihr eigenes thermisches und hydrologisches Verhalten hat, zeigt die Untersuchung mehrerer Eishöhlen in der Schweiz und in Europa eine klare Tendenz zu einer mehr oder weniger kontinuierlichen Abnahme des Eisvolumens während der letzten Jahrzehnte (Abb. 9). Diese Entwicklung hängt grösstenteils mit den beobachteten Veränderungen während der Wintersaison zusammen. So wirken sich mildere und schneeärmere Winter besonders auf die Eishöhlen in niedrigen und mittleren Höhenlagen aus. Auch die industrielle Nutzung des Eises einiger Eishöhlen hat zum Rückgang des Eisvolumens beigetragen.