3.3. Instabilitätsfaktoren

Der Abbruch einer instabil gewordenen Felswand(partie) ist ein komplexes und multifaktorielles Phänomen, abhängig von lokalen Standorteigenschaften und Faktoren, die auf verschiedenen Zeitskalen wirken.

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Steinschlag und Felsstürze sind natürliche geologische Phänomene. Die abtragende Wirkung der Erosion, insbesondere durch Frostsprengung (siehe Factsheet Permafrost 2.3), ist Teil der natürlichen Dynamik der langfristigen Einebnung einer Gebirgskette.

Sturzprozesse unterschiedlichen Ausmasses haben in den Alpen seit jeher stattgefunden. Am Ende der letzten Eiszeit (siehe Factsheet Gletscher 4.4) kam es in den von drastischen Veränderungen geprägten Alpen zu mehreren gigantischen Bergstürzen, wie z. B. in Flims in Graubünden (Volumen 7-11 km3) oder in Sierre im Wallis (ca. 2 Mio. m3).  Auch während der Kälteperiode der Kleinen Eiszeit kam es zu grösseren Sturzereignissen, wie der berühmte Bergsturz von Derborence (Wallis) in den Jahren 1714 und 1749 und zuletzt 1991 der Felssturz von Randa im Mattertal (Oberwallis).Zahlreiche Faktoren, die miteinander interagieren können, beeinflussen die Stabilität bzw. Instabilität von Felswänden im Hochgebirge. Diese Instabilitätsfaktoren wirken über sehr unterschiedliche Zeiträume: So kann beispielsweise die Erosionswirkung von Gletschern über Tausende von Jahren stattfinden, während die Wirkung eines Erdbebens oder starker Regenfälle nur wenige Minuten bis Stunden anhält.

Man unterscheidet zwei Hauptgruppen von Instabilitätsfaktoren: «passive» oder immanente Prädispositionsfaktoren einer Felswand und «aktive» oder auslösende Faktoren (Abb. 1). Die Kombination mehrerer dieser Faktoren kann zu einem Abbruch führen. Die fünf wichtigsten Faktoren, die im Gebirge eine Rolle spielen, sind:

  • Die Geologie (Prädispositionsfaktor): Lithologie (Art des Gesteins, Metamorphismus …) und Struktur (Neigung der Schichten, Schieferung, Zerklüftung, Geschichte des Hangs usw.) gelten als passive Faktoren der Instabilität. Die geologischen Faktoren bleiben grundsätzlich das ganze Jahr über und über einen langen Zeitraum (Jahre) hinweg konstant.
  • Das Verschwinden der Talgletscher. Während der Kaltzeiten führt die Gletschererosion dazu, dass die Hänge der Täler steiler werden. Durch das Abschmelzen der Gletscher bleiben diese steilen Hänge ohne festen Halt, was zu geomorphologischen Ausgleichsprozessen durch die Schwerkraft führt (siehe Factsheet Gletscher 6.4).
  • Durch das Verschwinden der Wandvergletscherung, der Hängegletscher und des permanenten Firns ist das Gestein das ganze Jahr über direkt den Witterungsbedingungen (Frost-Tau-Wechsel) ausgesetzt. Viele Gebiete, in denen Steinschlag ausgelöst wird, befinden sich derzeit in kürzlich eisfrei gewordenen Felswänden (siehe Factsheet Permafrost 3.7).
  • Das hydrologische Regime. Durch Schneeschmelze und Niederschläge (insbesondere bei Gewitter) sickert Wasser in die Felsspalten ein. Dies kann zu hohen hydraulischen Drücken in den Felsspalten führen.
  • Die Permafrostdegradation. Permafrost wird oft als «Zement» der Berge bezeichnet. Sein Abbau erhöht das Risiko von oberflächlichen Felsstürzen (siehe Factsheets Permafrost 3.4 bis 3.7).

Alle diese Faktoren wirken in Wechselwirkung zueinander. So können Veränderungen des Eises an der Oberfläche (Hängegletscher) und unter der Oberfläche (Eis in Spalten) den Wasserhaushalt, den Wärmehaushalt und die mechanische Beanspruchung von Eis und Gestein stark beeinflussen, vor allem wenn diese Veränderungen mit ungünstigen geologischen Faktoren (Diskontinuitäten, Lithologie, Struktur, Zerklüftung) einhergehen (Abb.2).