2.6. Frostmusterböden und kryogene Hügel

Frostmusterböden und kryogene Hügel sind aussergewöhnliche Formen, die typisch für periglazial dominierte Gebiete sind. Je nach Material und Prozessen zeigen sie bestimmte Strukturen der räumlichen Reorganisation. Differentieller Frosthub, Austrocknung und Kryoturbation sind Prozesse, die diese Formen zu verursachen scheinen.

Frostmusterböden (auch: Strukturböden) sind ein Wunder der Natur mit erstaunlicher Ästhetik und Geometrie. Sie treten in Form von Polygonen auf, die in den Alpen einige Zentimeter bis einige Dezimeter gross sind, in den arktischen Ebenen jedoch mehrere Meter erreichen können (Abb. 1 bis 3). Die Polygone bestehen in der Regel aus Ansammlungen von Steinen, welche deren Seiten/Ränder markieren (Steinkreis, Abb. 4), während das Innere aus Bodenmaterial besteht. Umgekehrt kann das Innere der Polygone auch aus Kieselsteinen und die Seiten/Ränder aus feinem Material bestehen (Steinrosen). In manchen Fällen bestehen die Polygone auch aus unsortiertem Material. Frostmusterböden kommen häufig in eher flachen, feuchten Gebieten vor (Abb. 5).

An um einige Grad geneigten Hängen gehen die Polygone in gestreifte Frostmusterböden über, die an der Oberfläche aus einer Abfolge grosser Bänder aus feinem Material bestehen, die durch Steinstreifen getrennt sind und typische Muster der Solifluktion aufweisen (Abb. 6). Im periglazialen Gebiet sind auch noch andere Strukturen anzutreffen (Felder aus aufrechten Steinen, Steinpflästerung usw.).

Die Entstehung von Frostmusterböden ist noch nicht vollständig geklärt. Es scheint aber, dass dafür verschiedene Prozesse eine Rolle spielen: thermische Kontraktion, Kryoexpulsion, Frosthub (siehe Factsheet Permafrost 2.4) und differentielle Kryoturbation, je nach Frostempfindlichkeit der Materialien, aus denen sich der Boden zusammensetzt. In jedem Fall dominieren vertikale Bewegungen mit Geschwindigkeiten in der Grössenordnung von Millimetern bis Zentimetern pro Jahr, welche die oberste Bodenschicht (0,1 – 1 m) betreffen. Die am häufigsten verwendete Hypothese zur Entstehung von Frostmusterböden lautet wie folgt (Abb. 7):

  • Ein plötzlicher Abfall der Lufttemperaturen vor dem Vorhandensein einer isolierenden Schneedecke (mindestens 50 cm) kann zu einer thermischen Kontraktion des Bodens führen. Es bilden sich Trockensrisse (Abb. 8), die durch Eisadern oder Eiskeile gefüllt und somit vergrössert werden können. In der arktischen Tundra wachsen die Eiskeile jedes Jahr und können Meter grosse Dimensionen erreichen (Abb. 9 & 10).
  • Wenn der Boden gefriert, führt die Bildung von Eislinsen und Pipkrakes (Eisnadeln) dazu, dass (Kiesel-)Steine durch Kryoexpulsion an die Oberfläche transportiert werden. Wahrscheinlich aufgrund ihrer unterschiedlichen Frostempfindlichkeit werden die Steine in Bereiche mit einer hohen Konzentration an grobkörnigerem Material verschoben, während feinkörnigere Partikel in Bereiche mit einer hohen Konzentration an Feinmaterial transportiert werden. Dieses Prinzip wurde von Pissart (1973) experimentell und später durch Computermodellierungen nachgewiesen.
  • In der Regel sammeln sich die groben Bestandteile aufgrund der Bodenwölbung in der Mitte von Trockenrissen/-spalten an.
  • Es ist auch denkbar, dass durch Kryoturbationsbewegungen Konvektionszellen im Boden entstehen, die zu einer Sortierung des Materials führen. Bei der Kryoturbation handelt es sich um einen Prozess, bei dem es aufgrund von Frost-Tau-Wechseln zu in-situ-Verformungen kommt (Abb. 11). Die Wasserrückhaltekapazität hängt von der Beschaffenheit des Materials ab, was sich wiederum beim Voranschreiten der Gefrierfront in sehr unterschiedlichen Materialausdehnungen äussert. So neigt der stark frostanfällige Lehm dazu, in andere Materialien (z. B. wenig frostanfällige Kiese, siehe Factsheet Permafrost 2.2) hineingedrückt zu werden, was zu kleinen Falten (Kesselformen) in den obersten Bodenschichten führt.

In periglazialen Gebieten kommen viele konvexe Formen vor. In den Alpen findet man häufig sogenannte Rasenhügel (oder Thufure). Dabei handelt es sich um Hügel mit einem Durchmesser von einigen Dezimetern, die in der Regel mit Vegetation bedeckt sind. Sie entstehen vermutlich durch Kryoturbation und Frosthub in organischem (Torf) und lehmigem Material (Abb. 12).

Palsas (auch: Palsen) (Abb. 13) sind kryogene Hügel mit einem Durchmesser von einem bis mehreren Dutzend Metern, deren Kern aus einer Ansammlung von Segregationseislinsen besteht. Palsas können sich in Torfmooren (Palsa im engeren Sinne) oder in sandigeren und lehmigeren Sedimenten bilden (dann spricht man von Mineralpalsas oder Lithalsen). Durch Frosthub kann es zur Entstehung von Spannungsrissen in der Oberfläche des Hügels kommen. Wenn die Eislinsen schmelzen, weicht der Hügel einer mehr oder weniger kreisförmigen Vertiefung. In der arktischen Taiga (heute, siehe Abb. 14) und in den europäischen Ebenen, die während der letzten grossen Eiszeit nicht vergletschert waren, sind Palsas sehr häufig. In den Alpen hingegen kommen sie sehr selten vor (Abb. 15).