3.2. Geomorphologie der gravitativen Massenbewegungen im Zusammenhang mit (steilen) Felswänden

Gravitative Massenbewegungen, die durch die Erosion in steilen Felswänden verursacht werden, lassen sich in drei Hauptprozesse unterteilen: Steinschlag (bildet Schutt-/Geröllhalden am Hangfuss), Felssturz oder Bergsturz (bei grösseren Volumina), und Fels-/Eislawinen.

Print Friendly, PDF & Email

Unter gravitativen Massenbewegungen versteht man den durch die Schwerkraft induzierten, hangabwärts gerichteten Materialtransport. In Felswänden führt die Erosion hauptsächlich zu Materialverlagerungen in Form von Stürzen: Steinschlag, Felssturz/Bergsturz oder Fels-/Eislawinen. Diese Arten von gravitativen Massenbewegungen treten in der Regel plötzlich auf. Das Material aus der Abbruchkante wird abrupt talwärts transportiert und bildet eine Ablagerung, deren Morphologie oft chaotisch ist. Die drei verschiedenen Arten von gravitativen Massenbewegungen durch Sturz werden nach dem Volumen des mobilisierten Materials, der Häufigkeit ihres Auftretens und den Ursachen, die zum Abbruch führen, unterschieden.

  • Steinschlag: Die Felswände werden nach und nach durch Netze von Rissen fragmentiert, die sich infolge zahlreicher Frost-Tau-Wechsel erweitern (Frostsprengung, siehe Factsheet Permafrost 2.3). Ab einem bestimmten Stadium wird ein Felsstück zu instabil und löst sich aus dem Gesteinsverband. Es stürzt dann den Hang hinunter und es kommt zu Steinschlag. Regelmässige Steinschläge führen zur Bildung von Schuttablagerungen am Hangfuss, welche die Form von klar begrenzten Kegeln (bei linearem Schutteintrag aus Steinschlagrinne) oder Schutthalden (wenn das Material grossflächig und ohne besondere Form über einen ganzen Hangfuss abgelagert wird) annehmen können. Im Allgemeinen weisen Schuttkegel oder Schutthalden ein regelmässiges Gefälle mit einer Neigung von etwa 35° auf (Abb. 1).
  • Fels- und Bergstürze: Ereignisse, die sich innerhalb von Sekunden bis Minuten abspielen. Vor dem Ereignis können Warnzeichen sichtbar werden (z. B. Öffnen von Rissen, vermehrter Steinschlag usw.). In beiden Fällen handelt es sich um den Sturz einer Felsmasse mit grossem Volumen, das bis zu mehreren Millionen m3 Material umfassen kann. Bei einem Volumen von 100 bis mehreren 100’000 m3 wird der Begriff Felssturz verwendet (Abb. 2); darüber hinaus (ab einer Million m3) spricht man von einem Bergsturz (Abb. 3).
  • Fels-/Eislawine (rock/ice avalanche). Wenn ein ganzer Teil einer Felswand abbricht, kann es zu einer Felslawine kommen. Die stürzende Felsmasse kann zusätzlich Eis enthalten , das beim Anriss (z. B. im Falle von Gletscherteilen, welche die losbrechende Felsmasse bedecken) oder während des Sturzes (z. B. bei Sturz auf einen tiefer gelegenen Gletscher) mitgerissen wird. Dadurch vergrössert sich das Volumen der Lawine, die dann aus Fels und Eis besteht. Die enorme Energie, die beim Aufprall und durch die Reibung entwickelt wird, kann zu einer teilweisen Verflüssigung des Eises führen und so die Lawine in einen Schlammstrom verwandeln, der selbst bei geringen Neigungen extrem hohe Geschwindigkeiten (>300 km/h) erreichen kann. Für Fels-/Eislawinen relevante Prozesse sind noch nicht vollständig verstanden. Seit dem Ende der Kleinen Eiszeit wurden in der Schweiz und weltweit mehrere solcher Ereignisse dokumentiert (siehe Factsheet Gletscher 4.6), insbesondere: Dents-du-Midi (Wallis) 1835, Fletschhorn (Wallis) 1903, Brenva (Mont-Blanc) 1920 und 1997, Huascaran (Peru) 1962 und 1970, Mt. Cook (Neuseeland) 1991, Kolka-Karmadon (Kaukasus, Ossetien) 2002 und zuletzt 2015 am Langtang (Nepal) und 2017 am Piz Cengalo (Bondo, Graubünden).

Diese Arten von gravitativen Massenbewegungen können in allen Höhenlagen auftreten und sind nicht unbedingt mit dem Vorhandensein von Permafrost verbunden.