Seit der letzten Eiszeit sind in den Alpen und Voralpen Tausende von Blockgletschern entstanden (siehe Factsheet Gletscher 4.4). Blockgletscher stellen eine Annäherung an die Untergrenze des diskontinuierlichen Permafrosts unter den Bedingungen dar, die ihre Entstehung ermöglicht haben. Sie können für die Erstellung oder Validierung eines indikativen Modells der Permafrostverbreitung (siehe Factsheet Permafrost 1.7) verwendet werden, wobei Permafrostvorkommen unterhalb der Front aktiver Blockgletscher in der Regel unwahrscheinlich ist.
Seit den 1990er Jahren werden Blockgletscher datiert, indem insbesondere der oberflächliche Verwitterungsgrad von Blöcken (Abb. 1) resp. der Zerfall kosmogener Isotope in deren mineralischen Bestandteilen analysiert wird. Falls die Entwicklung von Blockgletschern innerhalb von spätglazialen Moränensystemen stattfand (siehe Factsheet Gletscher 4.4), ist es auch möglich, eine relative Chronologie der Entstehung zu bestimmen. Dieser Ansatz ermöglicht es auch, die “Schneegrenz-Depression” resp. die Änderung der Höhenlage der Gletscher-Gleichgewichtslinie (GWL) in Bezug auf die Kleine Eiszeit und die Höhenlage der Untergrenze des Permafrosts in Bezug auf die durchschnittlichen Bedingungen des Holozäns zu bestimmen (Abb. 2).
Die Entstehungsgeschichte der Blockgletscher in den Alpen lässt sich wie folgt zusammenfassen:
- Fossile Blockgletscher befinden sich im Allgemeinen in durchwegs niedrigeren Höhenlagen als aktive Blockgletscher. Je nach Region und Exposition liegen die Fronten fossiler Blockgletscher zwischen 130 und 900 m tiefer (Abb. 3).
- Die jüngste Generation fossiler Blockgletscher stammt aus dem Ende des Spätglazials und dem Beginn des Holozäns, etwa zwischen 12’000 und 9’000 Jahren BP. In der Schweiz ist diese Generation von Blockgletschern nur in den Alpen zu finden. In tieferen Lagen, insbesondere in den Voralpen aufgrund des früheren Rückzugs der Gletscher, gibt es eine oder mehrere Generationen fossiler Blockgletscher aus dem früheren Spätglazial (ca. 16’000 bis 12’000 BP) (Abb. 4).
- Aktive Blockgletscher und Übergangsformen von Blockgletschern (inaktive Blockgletscher) entwickelten sich während des Holozäns (siehe Factsheet Gletscher 4.5) (Abb. 5) und je nach Blockgletscher und Klimaschwankungen unterschiedlich schnell.
- Die detaillierte Analyse von Scapozza (2013) von rund 20 Blockgletscher im Val de Nendaz, Val de Bagnes und Val d’Arolla im Wallis, sowie im Massiv der Cima di Gana Bianca im Val Blenio (Tessin) zeigt, dass die bevorzugten Perioden für die Schuttzufuhr eines Blockgletschers mit Zeiten der Erwärmung zusammenfallen, wobei die Permafrostdegradation Steinschlag und Felsstürze von höher gelegenen Felswänden begünstigt (siehe Factsheet Permafrost 3.3) (Abb. 6).
- Wenn in den Alpen aktive und fossile Blockgletscher am selben Hang vorkommen, sind letztere in der Regel größer. Diese Beobachtung zeigt, dass die Schuttzufuhr aus steilen Felswänden (Instabilität der Felswände) am Ende des Spätglazials und wahrscheinlich auch zu Beginn des Holozäns als Reaktion auf den Gletscherrückzug und die Permafrostdegradation besonders hoch war (Abb. 6).
Fig. 1 – Le marteau de Schmidt, un outil pour mesurer les degrés d’altération de blocs de surface.
Abb.1: Schmidthammer, ein Werkzeug zur Bestimmung des oberflächlichen Verwitterungsgrades von Blöcken.
Fig. 2 – Etapes successives pour réaliser une datation relative des glaciers rocheux fossiles, basée sur la comparaison de la position des glaciers (selon l’emplacement des moraines) et des glaciers rocheux. La séquence morpho-stratigraphique permet d’estimer la dépression de la ligne d’équilibre des glaciers (LEG) et de la limite inférieure du pergélisol (LIP) (source : Scapozza 2013, adapté).
Abb.2: Aufeinanderfolgende Schritte zur relativen Datierung von fossilen Blockgletschern, die auf dem Vergleich der Position der Gletscher (entsprechend der Lage der Moränen) und der Blockgletscher beruht. Anhand der morphostratigraphischen Sequenz kann die Absenkung (resp. relative Höhenlage) der Gletscher-Gleichgewichtslinie (GWL) und der Untergrenze des Permafrosts abgeschätzt werden (angepasst nach Scapozza 2013).
Fig. 3 – Altitude des fronts de glaciers rocheux actifs et fossiles selon l’orientation d’après des inventaires réalisés dans le Val d’Entremont (Delaloye & Morand 1997) et les Préalpes vaudoises (Schoeneich 1998).
Abb.3: Höhenlage der Fronten von aktiven und fossilen Blockgletschern nach Exposition. Aus Inventaren für das Val d’Entremont (Delaloye & Morand 1997) und die Waadtländer Voralpen (Schoeneich 1998).
Fig. 4 – Les glaciers rocheux fossiles de la Geissalp au pied du Kaiseregg (Préalpes fribourgeoises) se sont probablement formés durant le Tardiglaciaire. En grande partie recouvertes de forêts, de telles formes fossiles ne sont pas toujours évidentes à identifier dans le paysage. L’utilisation de modèle numérique de terrain comme le modèle swissALTI3D de swisstopo devient alors une aide précieuse pour le géomorphologue.
Abb.4: Die fossilen Blockgletscher auf der Geissalp am Fuss der Kaiseregg (Freiburger Voralpen) sind wahrscheinlich im Spätglazial entstanden. Da sie größtenteils von Wald bedeckt sind, sind solche fossilen Formen in der Landschaft nicht immer leicht zu erkennen. Die Verwendung eines digitalen Geländemodells (wie hier das swissALTI3D von swisstopo) ist in solchen Fällen für Geomorpholog:innen sehr hilfreich.
Fig. 5 – Compilation de toutes les datations effectuées dans la région du Mont Gelé – Mont Fort (MG – MF), dans la région des Fontanesses (PMR) et dans le Massif de la Cima di Gana Bianca (Ga Bi). En gris clair, les périodes relativement froides. Les cercles blancs indiquent l’âge maximal de chaque forme étudiée, correspondant au dernier stade glaciaire ayant occupé la zone de formation de la forme en question. La barre noire indique l’âge minimal de chaque formation tenant compte de la marge d’erreur des datations effectuées. Oscillations de l’Holocène : Pi = Piora ; Lö = Löbben ; Gö = Göschenen ; PAG = Petit Age Glaciaire. Chronozones : B/A = Bølling/Allerød ; DR = Dryas récent ; PB = Préboréal (source : Scapozza 2013).
Abb.5: Zusammenstellung aller Datierungen, die in der Region Mont Gelé – Mont Fort (MG – MF), in der Region Les Fontanesses (PMR) und im Massiv der Cima di Gana Bianca (Ga Bi) durchgeführt wurden. Die relativ kalten Perioden sind hellgrau gekennzeichnet. Die weissen Kreise zeigen das maximale Alter jeder untersuchten Form an. Sie entsprechen dem letzten Gletscherstadium, während dem die jeweilige Form entstanden ist. Der schwarze Balken zeigt das Mindestalter jeder Form unter Berücksichtigung des Fehlerbereichs der vorgenommenen Datierungen an. Holozäne Schwankungen: Pi = Piora; Lö = Löbben; Gö = Göschenen; PAG = Kleine Eiszeit. Chronozonen: B/A = Bølling/Allerød; DR = Jüngere Dryas; PB = Präboreal (Quelle: Scapozza 2013).
3404_0Fig. 6 – En haut : modèle schématique de l’évolution du taux d’éboulisation dans la zone périglaciaire alpine pendant le Tardiglaciaire et l’Holocène en combinant les modèles de fonctionnement de l’éboulisation paraglaciaire (activité géomorphologique exacerbée des zones qui ont été fraîchement déglacées), périglaciaire (éboulisation due à la gélifraction, plus intense durant les périodes froides) et parapériglaciaire (éboulisation due à la dégradation du pergélisol dans les parois rocheuse, plus intense durant les périodes de réchauffement climatique rapide). La bande grisée foncée représente le taux d’éboulisation moyen d’un éboulis de la zone périglaciaire alpine pendant la deuxième partie de l’Holocène (source : Scapozza 2013). En bas : courbe isotopique groenlandaise simplifiée du sondage NGRIP montrant les variations de températures (période plus chaude ou plus froide) (source : Landais et al. 2016, adapté). 6_ModeleEboulisation
Abb.6: Oben: Schematisches Modell der Entwicklung der Schuttzufuhr aus steilen Felswänden der alpinen Periglazialzone während des Spätglazials und des Holozäns durch Kombination der Wirkungsmodelle der paraglazialen (verstärkte geomorphologische Aktivität in Gebieten, die frisch eisfrei wurden), periglazialen (Schuttzufuhr aufgrund von Frostsprengung, intensiver in kalten Perioden) und para-periglazialen (Schuttzufuhr aufgrund von Permafrostdegradation in steilen Felswänden, intensiver in Zeiten rascher Erwärmung) Schuttzufuhr. Das dunkelgraue Band stellt die durchschnittliche Schuttzufuhr einer Schutt-/Geröllhalde in der alpinen Periglazialzone während der zweiten Hälfte des Holozäns dar (Quelle: Scapozza 2013). Unten: Vereinfachte grönländische Isotopenkurve der NGRIP-Bohrung, die Temperaturschwankungen (wärmere oder kältere Perioden) zeigt (angepasst nach Landais et al. 2016, angepasst).