Die Frostsprengung oder Kryoklastik stellt die Zerstörung von Gesteinsmaterial durch Frost-Tau-Wechsel dar, die aufgrund der durch die Zustandsänderungen des Wassers in den Hohlräumen (Poren, Risse) des Gesteins ausgeübten Spannungen entsteht. Die Volumenzunahme des Porenwassers beim Gefrieren (+9 %) führt zu einem Druckanstieg von etwa 15 kg/cm2. Beim Schmelzen kommt es zu einer Druckentlastung. Die Wiederholung vieler Frost-Tau-Zyklen führt zu einer Ermüdung des Gesteins und einer Vergrösserung der Risse (Abb. 1). Die Anzahl der abwechselnden Frost-Tau-Zyklen an der Erdoberfläche ist abhängig von:
- den Schneeverhältnissen. Wenn das Einschneien früh und stark ist, gibt es nur einen oder gar keinen Zyklus. Aufgrund ihrer starken Neigung sind Felswände selten mit Schnee bedeckt und daher anfällig für Frostsprengung.
- der Exposition: Die jährliche Anzahl der Frost-Tau-Zyklen ist an einem Südhang (Sonnseite) oft höher als an einem Nordhang (Schattenseite). Dafür ist das Eindringen von Frost auf dem sonnigeren Hang weniger dauerhaft und weniger intensiv (Abb. 2).
- der Jahreszeit: Im Hochgebirge sind kryoklastische Zyklen in den Zwischensaisons am zahlreichsten. Frostsprengung tritt daher vor allem im Frühling (Mai-Juni) und Herbst (September-Oktober) auf (Abb. 1). Aus diesem Grund ist die Steinschlaggefahr in den Perioden mit Frost-Tau-Wechseln am grössten.
- der Höhenlage.
Dieser Prozess findet vor allem in kalten Regionen mit wiederholtem Überschreiten der 0°C-Grenze statt. Die Frostsprengung wirkt an der Gesteinsoberfläche und bis in die obersten Dezimeter darunter. Die Leitfähigkeit der Gesteine reicht nicht aus, um Frostsprengung durch Frost-Tau-Wechsel in grösserer Tiefe zu ermöglichen. Die Wirksamkeit der Frostsprengung ist auf exponierten Felsoberflächen (schneefreie Wände) am grössten und variiert je nach Gesteinsart (Kalkstein, Granit …), was zu einer relativ hohen Erosionsrate in den Bergen von 5 bis 50 cm pro Jahrhundert führt.
Dabei lösen sich meist sehr kantige Bruchstücke, sogenannter Frostschutt, deren Grösse je nach Frostintensität, Bruchdichte und Gesteinsart variiert. Je nach Gesteinsart und Struktur des Massivs können die Bruchstücke unterschiedliche Formen annehmen (kantige Blöcke, Schuppen, Blätter, Plättchen, Splitter usw.) (Abb. 3). Das Vorherrschen der Frostsprengung verleiht dem Relief eine scharfkantige Erscheinung (Abb. 4), die im Gegensatz zu den eher abgerundeten und polierten Reliefs steht, die durch das Vorherrschen der Gletschererosion entstehen (siehe Abschnitt Glazialmorphologie). Am Fusse der Felswände bildet die Akkumulation von Blöcken und Gesteinsschutt aufgrund der Frostsprengung und des anschliessenden gravitativen Transports Schuttkegel (linearer Schutteintrag in Steinschlagrinne, konvexe Form) oder Schutthalden (flächiger Schutteintrag, eher planare, hangparallele Form) mit einer durchschnittlichen Neigung von etwa 35° (Abb. 5 & 6). Schuttkegel und -halden sind eine der am weitesten verbreiteten Ablagerungsformen des alpinen periglazialen Prozessbereichs (siehe Factsheet Permafrost 5.1).
Fig. 1 – Ouverture de petites fissures dans une paroi rocheuse du Mùrtel (Engadine, GR). On distingue 3 types de mouvements : A) Ouverture due aux cycles diurnes de gel-dégel ; B) Ecartement de la fissure au moment du gel saisonnier du terrain (début hiver) ; C) Ouverture importante de la fissure suite au regel des eaux de fonte de la neige (l’apport de beaucoup d’eau permet la formation d’une grande quantité de glace). La répétition de ces cycles cryoclastiques peut provoquer des chutes de pierre (adapté de Matsuoka et al., 2003).
Abb.1: Öffnung von kleinen Rissen in einer Felswand am Mùrtel (Engadin, GR). Man unterscheidet drei Arten von Bewegungen: A) Öffnen aufgrund der tageszeitlichen Frost-Tau-Wechsel; B) Aufweitung des Risses zum Zeitpunkt des saisonalen Gefrierens (Anfang Winter); C) Markante Rissöffnung aufgrund des Wiedergefrierens von Schneeschmelzwasser (Wasserzufuhr ermöglicht die Bildung einer grossen Menge an Eis). Die Wiederholung dieser kryoklastischen Zyklen kann zu Steinschlag führen (angepasst nach Matsuoka et al., 2003).
Fig. 2 – Illustration de la variation de l’apport radiatif par le rayonnement solaire en fonction de l’orientation du versant (adapté de Pech, 1998).
Abb.2: Schematische Darstellung der Variabilität der eintreffenden Sonneneinstrahlung in Abhängigkeit der Hangexposition (angepasst nach Pech, 1998).
Fig. 3 – Débitage en plaquettes d’un bloc de calcaire marneux par gélifraction (Vallon de la Tièche, VS).
Abb.3: Durch Frostsprengung verursachte Verwitterung eines mergeligen Kalksteinblocks in Plättchen (Vallon de la Tièche, VS).
Fig. 4 – Relief acéré caractéristique de la prédominance des processus de gélifraction (Saleinaz, VS). Notez la présence de nombreux éboulis à la base des parois rocheuses.
Abb.4: Scharfkantiges Relief, charakteristisch für das Vorherrschen von Frostsprengungsprozessen (Saleinaz, VS). Beachten Sie die zahlreichen Schutt-/Geröllhalden am Hangfuss der Felswände.
Fig. 5 – Cône d’éboulis partiellement végétalisé de la Pierreuse (Réserve naturelle de la Pierreuse, Château-d’Oex, VD).
Abb.5: Teilweise bewachsener Schuttkegel von la Pierreuse, (Naturschutzgebiet La Pierreuse, Château-d’Oex, VD).
Fig. 6 – Voile d’éboulis au pied de la crête des Faverges (Vallon de la Tièche, VS). Au premier plan, un cône de déjection occupe une partie du replat (en vert).
Abb.6: Schutthalde am Fusse des Faverges -Kamms (Vallon de la Tièche, VS). Im Vordergrund nimmt ein Schwemmkegel einen Teil der Abflachung ein (grün).