5.3. Indikatoren für unterkühlte Schutthalden

Ein sich jahreszeitlich stark unterscheidender Verlauf der Bodentemperaturen zwischen den bergwärts und den talwärts gelegenen Bereichen ist typisch für unterkühlte Schutthalden.

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Um das Vorhandensein einer unterkühlten Schutthalde zu erkennen, stützen sich Forscher:innen auf drei Arten von Indikatoren: ein sich stark unterscheidendes Bodenoberflächen-Temperaturregime (in 50 cm Tiefe) zwischen dem oberen und dem unteren Teil der Schutthalde, das Auftreten besonderer visueller Erkennungsmerkmale und das Vorhandensein von Ökosystemen, die für kalte Regionen charakteristisch sind und daher an diesen Standorten eigentlich nicht vorkommen sollten.

Das Temperaturregime einer unterkühlten Schutthalde unterscheidet sich saisonal stark zwischen ihrem oberen und unteren Teil (Abb. 1).

  • Unterer Teil der Schutthalde: Die Bodentemperaturen sind im Winter kalt und verlaufen mehr oder weniger parallel zur Entwicklung der Aussenlufttemperatur. Im Sommer hingegen bleiben die Temperaturen kühl und relativ stabil. Es kann eine negative Temperaturanomalie (Abkühlung) gemessen werden, die 3 bis 7 °C gegenüber der durchschnittlichen jährlichen Lufttemperatur (MAAT) betragen kann.
  • Oberer Teil der Schutthalde: Im Sommer sind die Bodentemperaturen erhöht und folgen relativ gut dem Temperaturverlauf der Aussenluft. Im Winter hingegen bleiben die Bodentemperaturen im Allgemeinen im positiven Bereich (Abb. 2), mit einer abnehmenden Tendenz im Verlauf des Winters. In der Schutthalde nahe des Pfynwalds zum Beispiel (Abb. 1) bleibt die Bodentemperatur im oberen Teil während der Winterperiode aussergewöhnlich hoch (+10°C im November und +5°C im März).

Im Laufe der Jahre entwickeln sich zahlreiche visuelle Merkmale, die mit dem sich zwischen dem oberen und unteren Teil einer unterkühlten Schutthalde saisonal stark unterscheidenden Temperaturregime zusammenhängen. Im Sommer ist ein kühler Luftzug (unter 5°C) zwischen den Blöcken des unteren Teils der Schutthalde spürbar (Abb. 2). Häufig findet man dort auch Kongelationseis oder Schneereste (Abb. 3 & 4). Auch beim Aushub von Material aus einer Schutthalde für den Bau von Strassen wird in der Tiefe häufig Eis gefunden. Zu Beginn des Winters konzentrieren sich die am leichtesten zu beobachtenden visuellen Merkmalen auf den oberen Teil der Schutthalde. Die warme Luft, die aus dem oberen Teil der Schutthalde austritt, schmilzt den Schnee. Von der ersten Herbstkälte bis zum Ende des Winters können an diesen Stellen apere Flecken entstehen (Abb. 5).

Im Jura und in den Schweizer Voralpen sind häufig auch Zwergbaumwälder anzutreffen, in denen einige Exemplare trotz ihrer geringen Grösse (oft weniger als 1 Meter hoch) ein Alter von 100 Jahren erreichen (Abb. 4 & 6). Schöne Zwergbaumwälder gibt es zum Beispiel bei Dreveneuse d’en Bas (Walliser Chablais), am Creux-du-Van (Neuenburger Jura) oder im Brüeltobel im Appenzeller Alpstein. Letzterer Standort ist auch für seine Sage vom «Hexenwäldli» (Hexenwald) bekannt (Abb. 7).

Zahlreiche botanische und ökologische Studien in der Schweiz, in Deutschland und in der Tschechischen Republik haben ausserdem gezeigt, dass die tiefliegenden Bereiche von unterkühlten Schutthalden in niedrigen Höhenlagen von einer reichen Flora und Fauna bevölkert sind, die eigentlich für kalte Lebensräume in hohen Höhen und Breitengraden typisch ist. Einige Autoren halten unterkühlte Schutthalden für aussergewöhnliche ökologische Nischen, die seit dem Ende der letzten Eiszeit oder sogar während des gesamten Pleistozäns ein stabiles Mikroklima aufrechterhalten haben könnten.

Die Abbildungen 8 und 9 fassen die thermischen Eigenschaften und die verschiedenen visuellen Merkmale zusammen, die in einem Komplex aus einer unterkühlten Schutthalde und einem fossilen Blockgletscher mit Kamineffekt zu finden sind.