Frostmusterböden (auch: Strukturböden) sind ein Wunder der Natur mit erstaunlicher Ästhetik und Geometrie. Sie treten in Form von Polygonen auf, die in den Alpen einige Zentimeter bis einige Dezimeter gross sind, in den arktischen Ebenen jedoch mehrere Meter erreichen können (Abb. 1 bis 3). Die Polygone bestehen in der Regel aus Ansammlungen von Steinen, welche deren Seiten/Ränder markieren (Steinkreise, Abb. 4), während das Innere aus Bodenmaterial besteht. Umgekehrt kann das Innere der Polygone auch aus Kieselsteinen und die Seiten/Ränder aus feinem Material bestehen (Steinrosen). In manchen Fällen bestehen die Polygone auch aus unsortiertem Material. Frostmusterböden kommen häufig in eher flachen, feuchten Gebieten vor (Abb. 5).
An um einige Grad geneigten Hängen gehen die Polygone in gestreifte Frostmusterböden über, die an der Oberfläche aus einer Abfolge grosser Bänder aus feinem Material bestehen, die durch Steinstreifen getrennt sind und typische Muster der Solifluktion aufweisen (Abb. 6). Im periglazialen Gebiet sind auch noch andere Strukturen anzutreffen (Felder aus aufrechten Steinen, Steinpflästerung usw.).
Die Entstehung von Frostmusterböden ist noch nicht vollständig geklärt. Es scheint aber, dass dafür verschiedene Prozesse eine Rolle spielen: thermische Kontraktion, Kryoexpulsion, Frosthub (siehe Factsheet Permafrost 2.4) und differentielle Kryoturbation, je nach Frostempfindlichkeit der Materialien, aus denen sich der Boden zusammensetzt. In jedem Fall dominieren vertikale Bewegungen mit Geschwindigkeiten in der Grössenordnung von Millimetern bis Zentimetern pro Jahr, welche die oberste Bodenschicht (0,1 – 1 m) betreffen. Die am häufigsten verwendete Hypothese zur Entstehung von Frostmusterböden lautet wie folgt (Abb. 7):
- Ein plötzlicher Abfall der Lufttemperaturen vor dem Vorhandensein einer isolierenden Schneedecke (mindestens 50 cm) kann zu einer thermischen Kontraktion des Bodens führen. Es bilden sich Trockensrisse (Abb. 8), die durch Eisadern oder Eiskeile gefüllt und somit vergrössert werden können. In der arktischen Tundra wachsen die Eiskeile jedes Jahr und können Meter grosse Dimensionen erreichen (Abb. 9 & 10).
- Wenn der Boden gefriert, führt die Bildung von Eislinsen und Pipkrakes (Eisnadeln) dazu, dass (Kiesel-)Steine durch Kryoexpulsion an die Oberfläche transportiert werden. Wahrscheinlich aufgrund ihrer unterschiedlichen Frostempfindlichkeit werden die Steine in Bereiche mit einer hohen Konzentration an grobkörnigerem Material verschoben, während feinkörnigere Partikel in Bereiche mit einer hohen Konzentration an Feinmaterial transportiert werden. Dieses Prinzip wurde von Pissart (1973) experimentell und später durch Computermodellierungen nachgewiesen.
- In der Regel sammeln sich die groben Bestandteile aufgrund der Bodenwölbung in der Mitte von Trockenrissen/-spalten an.
- Es ist auch denkbar, dass durch Kryoturbationsbewegungen Konvektionszellen im Boden entstehen, die zu einer Sortierung des Materials führen. Bei der Kryoturbation handelt es sich um einen Prozess, bei dem es aufgrund von Frost-Tau-Wechseln zu in-situ-Verformungen kommt (Abb. 11). Die Wasserrückhaltekapazität hängt von der Beschaffenheit des Materials ab, was sich wiederum beim Voranschreiten der Gefrierfront in sehr unterschiedlichen Materialausdehnungen äussert. So neigt der stark frostanfällige Lehm dazu, in andere Materialien (z. B. wenig frostanfällige Kiese, siehe Factsheet Permafrost 2.2) hineingedrückt zu werden, was zu kleinen Falten (Kesselformen) in den obersten Bodenschichten führt.
In periglazialen Gebieten kommen viele konvexe Formen vor. In den Alpen findet man häufig sogenannte Rasenhügel (oder Thufure). Dabei handelt es sich um Hügel mit einem Durchmesser von einigen Dezimetern, die in der Regel mit Vegetation bedeckt sind. Sie entstehen vermutlich durch Kryoturbation und Frosthub in organischem (Torf) und lehmigem Material (Abb. 12).
Palsas (auch: Palsen) (Abb. 13) sind kryogene Hügel mit einem Durchmesser von einem bis mehreren Dutzend Metern, deren Kern aus einer Ansammlung von Segregationseislinsen besteht. Palsas können sich in Torfmooren (Palsa im engeren Sinne) oder in sandigeren und lehmigeren Sedimenten bilden (dann spricht man von Mineralpalsas oder Lithalsen). Durch Frosthub kann es zur Entstehung von Spannungsrissen in der Oberfläche des Hügels kommen. Wenn die Eislinsen schmelzen, weicht der Hügel einer mehr oder weniger kreisförmigen Vertiefung. In der arktischen Taiga (heute, siehe Abb. 14) und in den europäischen Ebenen, die während der letzten grossen Eiszeit nicht vergletschert waren, sind Palsas sehr häufig. In den Alpen hingegen kommen sie sehr selten vor (Abb. 15).
Fig. 1 – Sols triés centimétriques à décimétriques présentant une vague structure en polygones dans un replat bien drainé du Haut-Vallon de Réchy(VS).
Abb. 1: Frostmusterboden (Zentimeter bis Dezimeter grosse Komponenten) mit einer vagen Polygon-Struktur in einer gut entwässerten Ebene im Haut-Vallon de Réchy (VS).
Fig. 2 – Allée de sols polygonaux de taille métrique à proximité de la cabane des Becs-de-Bosson (Vallon de Réchy, VS).
Abb. 2: Allee aus Polygonen (Meter gross) eines Frostmusterbodens in der Nähe der Becs-de-Bosson-Hütte (Vallon de Réchy, VS).
Fig. 3 – Sols polygonaux arctiques de plusieurs (dizaines) de mètres. La séparation entre les polygones est d’environ 50 cm à 1 mètre, et cache des coins de glace en profondeur (Prudhoe bay, Alaska).
Abb. 3: Polygone (mehrere Dutzend Meter breit) eines arktischen Frostmusterbodens. Der Abstand zwischen den Polygonen beträgt etwa 50 cm bis 1 Meter und verbirgt Eiskeile in der Tiefe (Prudhoe Bay, Alaska).
Fig. 4 – Sols polygonaux présentant un motif en cercle de pierre (Vallon de Réchy, VS)
Abb. 4: Frostmusterboden mit Steinkreismuster (Vallon de Réchy, VS)
Fig. 5 – En haut de l’image, la neige vient de découvrir un replat humide rempli de sols polygonaux. En bas à gauche, la pente augmente et des loupes de solifluxion se sont formées (Vallon de Réchy, VS).
Abb. 5: Oben im Bild hat der Schnee gerade ein feuchtes Flachstück voller Polygone eines Frostmusterbodens freigelegt. Unten links nimmt die Neigung zu und es haben sich Solifluktionsloben gebildet (Vallon de Réchy, VS).
Fig. 6 – Sol strié entouré de champs de pierres redressées. Les pierres redressées au front du sol strié (en bas à gauche) se sont alignées dans le sens de la pente selon un motif typique de la solifluxion (Vallon de Réchy, VS).
Abb. 6: Gestreifter Frostmusterboden, umgeben von Feldern mit aufrechten Steinen. Die an der Vorderseite des gestreiften Frostmusterbodens (unten links) gelegenen aufrechten Steine haben sich nach einem für die Solifluktion typischen Muster in Hangrichtung aufgereiht (Vallon de Réchy, VS).
Fig. 7 – Hypothèses de formation des petits sols polygonaux de haute montagne, sur la base d’expériences effectuées. A : Soulèvement des cailloux par le gel ; B : Ouverture de fissures de retrait ; C et D : Bombement des centres et déplacements en surface des cailloux par des aiguilles de glace (source : Pissart, 1973).
Abb. 7: Hypothesen zur Bildung von kleinen Frostmusterböden im Hochgebirge auf der Grundlage durchgeführter Experimente. A: Hebung der Steine durch Frost; B: Öffnung von Kontraktionsrissen; C und D: Aufwölbung in der Mitte und Verlagerung der Steine durch Eisnadeln an der Oberfläche (Quelle: Pissart, 1973).
Fig. 8 – Système de fentes de dessication dans un replat composé de sédiments fins (Vallon de Réchy, VS).
Abb. 8: System von Trockenrissen auf einer Terrasse aus feinkörnigem Sediment (Vallon de Réchy, VS).
Fig. 9 – Coin de glace dans des sédiments limoneux gelés du Permafrost Tunnel à Fairbanks (Alaska).
Abb. 9: Eiskeil in gefrorenem Lehm eines Permafrosts bei Fairbanks (Alaska).
Fig. 10 – Schéma illustrant la formation d’un coin de glace en raison de la contraction thermique du sol.
Abb. 10: Schematische Darstellung der Bildung eines Eiskeils aufgrund der thermischen Kontraktion des Bodens.
Fig. 11 – Représentation schématique de la cryoturbation. La photo provient de la taïga sibérienne (adapté de Pech, 1998).
Abb. 11: Schematische Darstellung der Kryoturbation. Das Foto stammt aus der sibirischen Taiga (angepasst nach Pech, 1998).
Fig. 12 – Buttes gazonnées à proximité du Lac du Louché (Vallon de Réchy , VS).
Abb. 12: Rasenhügel in der Nähe des Lac du Louché (Vallon de Réchy , VS).
Fig. 13 – Schéma montrant la formation d’une palse en raison de la formation d’une lentille de glace. La configuration du terrain avec un bas-marais est similaire à celle rencontrée dans le cas de la palse minérale des Faverges (fig. 15).
Abb. 13: Schematische Darstellung eines Palsas, welcher aufgrund der Bildung einer Eislinse entstanden ist. Die Geländekonfiguration mit einem Flachmoor ähnelt derjenigen des Mineralpalsas von Faverges (Abb. 15).
Fig. 14 – Palse d’environ 1.5 mètre de haut et 3 mètres de diamètre dans la forêt boréale d’Alaska. Au sommet de la palse des fentes de tension sont bien visibles (Brooks Range, Alaska). Un filtre transparent a été appliqué à l’arrière-plan pour mieux faire ressortir la palse.
Abb. 14: Etwa 1.5 Meter hoher Palsa mit einem Durchmesser von 3 Metern in den borealen Wäldern Alaskas. Oben auf dem Palsa sind Spannungsrisse sichtbar (Brooks Range, Alaska). Um den Palsa besser erkennbar zu machen, ist der Hintergrund auf dem Foto transparent dargestellt.
Fig. 15 – Palse minérale (ou lithalse) des Faverges (VS) émergeant d’un bas-marais d’altitude. En haut : vue de profil, la palse fait environ 30 cm de haut. En bas : le contour de la palse se distingue facilement en raison des contrastes de végétation (diamètre d’environ 2 mètres).
Abb. 15: Mineralpalsa (oder Lithalsa) von Faverges (VS) der aus einem hoch gelegenen Flachmoor herausragt. Oben: Seitenansicht. Der Palsa ist etwa 30 cm hoch. Unten: Der Umriss des Palsas ist aufgrund der Vegetationskontraste leicht zu erkennen (Durchmesser ca. 2 m).