Gletschereis wurde lange Zeit als Rohstoff genutzt. Vor der Erfindung des Kühlschranks stellten natürliches Eis, Schnee und die Nutzung kühler Orte (Höhlen) die einzigen Möglichkeiten dar, um Lebensmittel kühl zu halten. Nach dem Aufkommen der Eisenbahn entwickelte sich die Eisindustrie und versorgte einen Grossteil Europas. Diese Jahre entsprechen dem Ende der Kleinen Eiszeit, als der Rohstoff noch zugänglich war. Die Nutzung von Gletschereis war am Trient-Gletscher besonders ausgeprägt (Abb. 1). Gegen Ende der 1880er Jahre fuhren im Sommer täglich 10 bis 15 grosse Wagen vom Col de la Forclaz ab, die 20 bis 30 Tonnen Eisblöcke auf der Strasse nach Martigny transportierten. Ein Zug pro Woche transportierte das Eis in die französischen Grossstädte Paris, Lyon und Marseille. Die Erfindung von Maschinen zur künstlichen Eisproduktion führte 1893 zum Zusammenbruch dieser industriellen Tätigkeit auf dem Trient-Gletscher (Abb. 2). Im Tessin hielt sich dieser Industriezweig länger. Die Städte Mailand und Turin wurden bis Ende der 1910er Jahre von der Aktiengesellschaft «La Cristallina» mit Eis versorgt. Letztere war am 11. Juli 1897 in Biasca gegründet worden und nutzte das Eis des südlichsten Gletschers des Tessins, des Ghiacciaio di Basso im Val Pontirone. Auch in den Waadtländer Alpen gab es Pläne zur Ausbeutung von Gletschereis, insbesondere beim Martinets-Gletscher am Fusse der Dents de Morcles und beim Plan Névé-Gletscher an der Flanke des Grand Muveran. Trotz ihrer Lage, die als leicht zugänglich galt und nicht weit von der Strasse, die von Bex nach Les Plans führt, lag, wurden die im Conteur Vaudois am 28. November 1863 erwähnten Projekte nicht verwirklicht. Am Ende des Ersten Weltkriegs führte der industrielle Aufschwung zur Entwicklung der Produktion von Kühlschränken und Maschinen zur Eisherstellung, was das Ende der Nutzung von natürlichem Eis zur Folge hatte.
5.5 Nutzung von Gletschereis
Bevor der Kühlschrank erfunden und auf den Markt gebracht wurde, wurden Lebensmittel durch natürliches Eis, Schnee und die Nutzung kühler Standorte haltbar gemacht. Um die Wende zum 19. Jahrhundert wurde das Eis von einigen Schweizer Gletschern und Seen bis in die Grossstädte der Nachbarländer transportiert.