Die Gletscherdynamik ist unter anderem abhängig vom Temperaturregime des Gletschers. Die Temperatur des Eises hängt von drei Hauptfaktoren ab, dem Wärme-/Energieaustausch an der Gletscheroberfläche mit der Atmosphäre (klimatischer Faktor), dem geothermischen Wärmefluss (durch das Temperaturgefälle zwischen Erdoberfläche und dem Erdinneren wird Wärme zur Erdoberfläche transportiert) (geologischer Faktor) und dem Eisüberlagerungsdruck und der Reibung durch das Eisfliessen (glaziologischer Faktor). Je nach Temperaturregime unterscheidet man drei Kategorien von Gletschern (Abb. 1):
- Temperierte Gletscher haben überall Temperaturen nahe dem Schmelzpunkt, ausser an der Oberfläche, wo die Temperatur je nach Jahreszeit schwankt;
- Polare oder kalte Gletscher haben überall Temperaturen unterhalb des Schmelzpunkts und sind daher an ihrer Basis (ihrem Bett) festgefroren (kein Wasser am Gletscherbett);
- Polythermale Gletscher weisen sowohl temperierte als auch kalte Partien auf.
Die Bewegung (das Fliessen) eines Gletschers ist das Ergebnis der permanenten Verformung des Eises bzw. des Gletscherbetts als Reaktion auf die Schwerkraft. Die drei Mechanismen, welche zum Eisfliessen beitragen können, sind: Verformung des Eises, Verformung des Gletscherbetts und Gleiten des Eises auf dem Gletscherbett. Die sichtbare Bewegung an der Gletscheroberfläche ist das Ergebnis dieser Prozesse, die unabhängig voneinander oder in Kombination wirken. Je nach Temperaturregime zeigen Gletscher ein unterschiedliches dynamisches Verhalten. Temperierte Gletscher bewegen sich durch Verformung des Eises und basales Gleiten (je nach dem zusätzlich durch Verformung des (Sediment-)Bettes). In den Alpen kann der Anteil an basalem Gleiten mehrere Meter pro Tag betragen und bis zu 90 % der Gesamtbewegung ausmachen. Werte der jährlichen Eisbewegung variieren zwischen weniger als 2 Metern pro Jahr für einige polare Gletscher und mehr als 8 Kilometern pro Jahr für einige temperierte Gletscher in Grönland. In den Alpen liegen die Eisfliessgeschwindigkeiten der mittelgrossen bis grössten Gletscher im Bereich von einigen Dutzend bis einigen Hundert Metern pro Jahr.
Das Fliessen eines Gletschers ist laminar, d. h. jeder Eiskristall beschreibt eine Fliesslinie, die sich nicht mit den benachbarten Linien kreuzt. Im Allgemeinen besteht Gletschereis aus übereinanderliegenden Schichten, die einige Zentimeter bis Dezimeter oder Meter dick sind und ein unterschiedliches Aussehen haben (je nach Luftgehalt in Form von Blasen, Kornform, Verunreinigungen usw.). Diese Schichten sind im am Gletscherrand oder in Spalten oft gut sichtbar (Abb. 2). Sie bewegen sich mit dem Gletscher, in der Mitte schneller als an den Rändern und an der Oberfläche schneller als in Bettnähe (Abb. 3). Nach einer gewissen Strecke nehmen die ursprünglich mehr oder weniger flachen Schichten eine löffelförmige, bergwärts konkave Form an. An der Oberfläche können sie in Form von bogenförmigen, beinahe parabelförmigen Linien mit nach oben gerichteter Konkavität auftauchen, die als Ogiven oder Forbes-Bänder bezeichnet werden (benannt nach dem schottischen Naturforscher James Forbes, der sie Mitte des 19. Jahrhunderts am Mer de Glace beschrieb).
Bei den Ogiven wechseln sich helle und dunkle Streifen ab, die jeweils reinem und schmutzigem Eis entsprechen (Abb. 4). Je ein dunkler und heller Streifen zusammen entsprichen einem Jahr. Ogiven bilden sich auf Gletschern, die über Eisfälle (Séracs) fliessen: Das auf die Steilstufe auftreffende Eis beschleunigt sich, deformiert sich schneller und bricht spröde (Spaltenbildung); dadurch entsteht eine grössere Kontaktfläche mit der Atmosphäre. Eis, das diesen Bereich im Sommer durchfliesst, verliert dadurch durch Ablation mehr Volumen und kann mit Staub und Partikeln von aussen verunreinigt werden; unterhalb des Eisfalls (der Steilstufe) werden die Spalten durch kompressives Fliessen geschlossen und das Eis nimmt durch die Verunreinigungen eine dunkle Färbung an. Eis, das im Winter durch die Steilstufe hindurchfliesst, erhält dagegen zusätzliches Volumen in Form von Schnee, der das Eis zusätzlich vor Verunreinigungen schützt; unterhalb der Steilstufe nimmt dieses Eis eine hellere Färbung an. Diese Art der Entstehung erklärt, warum es nicht auf allen Gletschern Ogiven gibt.