Die Erde erwärmt sich (Abb. 1). Der IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) schreibt in seinem Sonderbericht von 2018: «Menschliche Aktivitäten haben zu einer globalen Erwärmung von etwa 1 °C über dem vorindustriellen Niveau geführt, mit einer wahrscheinlichen Bandbreite von 0,8 °C bis 1,2 °C. Es ist wahrscheinlich, dass die globale Erwärmung zwischen 2030 und 2052 1,5 °C erreichen wird, wenn sie im derzeitigen Tempo weitergeht.» In der Schweiz ist die jährliche Durchschnittstemperatur seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts um 1,8 °C gestiegen. Diese Erwärmung führt zu einem verstärkten Gletscherschwund und einer Degradation des Permafrosts (Factsheet Gletscher 4.7 und Kapitel über Periglaziale Prozesse), was wiederum eine Reihe von Konsequenzen nach sich zieht, insbesondere im Hinblick auf Naturgefahren im Zusammenhang mit glazialen und periglazialen Prozessen.
Insbesondere wird gemäss Studien des Beratenden Organs für Fragen der Klimaänderung (OcCC) für die Schweiz erwartet, dass ein grosser Teil des Hochgebirges zwischen 2400 und 2800 m ü. M. nach dem Verschwinden der Gletscher und der Degradation des Permafrosts grosse Mengen an Lockermaterial freilegen wird, die durch Wasser in Bewegung geraten könnten (Abb. 2). Gemäss diesem Szenario ist mit einer räumlichen Verschiebung des Risikos für Eislawinen und Murgänge im Hochgebirge zu rechnen, bei gleichzeitiger Zunahme der saisonalen Verteilung der Hochwassergefahr.
Es ist absehbar, dass – wie beim Pizol-Gletscher , der mittlerweile zu klein geworden ist, um weiterhin zum Schweizerischen Gletschermessnetz (GLAMOS) zu gehören, und für den eine Gedenkfeier abgehalten wurde – der Grossteil der alpinen Gletscherwelt noch in diesem Jahrhundert verschwinden wird. Das vermeintlich ewige Eis weicht mit hoher Geschwindigkeit einer neuen Landschaft aus Felsen, Geröll, spärlicher Vegetation und zahlreichen, meist kleinen Seen. Das langsame Auftauen des Permafrosts verringert auf lange Sicht die Stabilität der vielerorts sehr steilen Bergflanken. Die Folge sind häufigere, teils grossflächige Felsstürze. Ausgeprägte Ungleichgewichte werden diese Landschaft im Hinblick auf die geomorphologische Dynamik über Jahrhunderte hinweg prägen.
Umweltrisiken umfassen nicht nur natürliche Risiken und Gefahren, sondern auch wirtschaftliche und ökologische Risiken. Laut ProClim werden das Abschmelzen der Gletscher und der Rückgang der Schneedecke schwere Folgen für den Wasserhaushalt und das Landschaftsbild, den Wintertourismus und die Landwirtschaft haben. Insbesondere werden laut OcCC die durchschnittlichen jährlichen Wasserabflussmengen auf der Alpennordseite um durchschnittlich etwa 10 % zunehmen, während sie auf der Alpensüdseite um durchschnittlich etwa 10 % abnehmen werden. Dies wird erhebliche Auswirkungen auf die Wasserkraftproduktion haben, die stark von der Vergletscherung abhängt (Factsheet Gletscher 5.3). Ein weiteres Risiko, das man als wirtschaftlich bezeichnen könnte, ist mit den Veränderungen der Hochgebirgslandschaften infolge des Gletscherschwundes und deren Auswirkungen auf den Tourismus verbunden (Abb. 3). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lassen sich diese ökonomischen Risiken jedoch schwer abschätzen (Factsheet Gletscher 5.4). Erhöhte Temperaturen und Trockenheit, weniger Schnee und sich verändernde Vegetationsperioden sind nur einige der Faktoren, die alpine Ökosysteme beeinflussen. Die Folgen sind beispielsweise räumliche und/oder zeitliche Veränderungen im Vorhandensein von ökologischen Ressourcen und damit einhergehend die Migration von Pflanzen- und Tierarten.
Allerdings können auch gewisse positive Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Kryosphäre genannt werden. Im Vergleich zu Zeiten grösserer Gletscherausdehnung sind gewisse Risiken heute häufig räumlich stärker eingegrenzt und betreffen kleinere Bereiche. Im Fall von en-/subglazialen Wassertaschen sowie (supra-/randglazialen) Gletscherseen ist das Risiko katastrophaler Entleerungen und deren Folgen für Bevölkerung und Infrastruktur im Tal bei einigen Gletschern zurückgegangen. Dies gilt beispielsweise für den Aletschgletscher, wo der Märjelensee ab 1931 keine Probleme mehr verursacht hat (Factsheet Gletscher 6.3). Andernorts haben sich neue Gletscherseen gebildet, die einerseits neue Gefahren verursachen können, andererseits jedoch die Landschaft abwechslungsreicher gestalten. Der Rückzug der Gletscher wird auch wichtige archäologische Funde über die Besiedlung der Alpentäler ermöglichen (Factsheet Gletscher 5.2) und mehr Holz und Torf für die Rekonstruktion des Klimas der letzten 10.000 Jahre (Abb. 4) bereitstellen (Factsheet Gletscher 4.5). Und schliesslich werden sich Mineraliensucher (Strahler) und Höhlenforscher freuen, wenn unberührtes Gelände zu Tage tritt und neue Zugänge erkundet werden können.