Wasserkraft macht über 55% der Schweizer Stromproduktion aus; 2019 stammten 31.2% aus Speicherkraftwerken. Die in den Bergen gelegenen Stauseen sammeln und speichern Schmelzwasser von Schnee und grossen Gletschern (Abb. 1), insbesondere im Wallis (Abb. 2).
Die Anlagen Grande Dixence (VS), Gries (VS), Haslital (BE), Robiei oder Zött (TI), um nur einige Beispiele zu nennen, fassen ihr Wasser im Vorfeld der grossen Alpengletscher. Der Mauvoisin-Stausee (VS) fasst Wasser aus einem Einzugsgebiet von 167 km², wovon 44 % vergletschert ist (die grösseren Gletscher des Einzugsgebiets sind: Giétro, Otemma, Corbassière, Brenay und Mont Durand (insgesamt ca. 73 km²)) (Abb. 3).
Der Anteil Gletscher-Schmelzwasser, der die Stauseen füllt, ist in heissen oder niederschlagsarmen Perioden besonders hoch. Im Hitzesommer 2003 war beispielsweise der Wasserstand in Stauseen wie dem Lac d’Emosson, dem Lac de Mauvoisin, dem Lac des Dix, dem Lac de Moiry oder dem Mattmarksee besonders hoch, während bei Stauseen, die nicht oder nur unbedeutend von Gletschern gespeist werden, die Situation kritisch war (Abb. 4). Im Tessin und in Graubünden sind die Schwankungen der Füllstände der Speicherbecken besonders gross und hängen stark von den Niederschlägen ab (siehe z. B. die Jahre 2005, 2011 und 2017 in Abb. 4).
Die meisten Wasserkraftanlagen wurden in der Zeit zwischen Ende der 1950er und Anfang der 1970er Jahre in Betrieb genommen, einer Zeit, die durch einen relativ stationären Zustand der Schweizer Gletscher gekennzeichnet war (vgl. Factsheet Gletscher 4.6).
Der allgemeine Rückgang der Schweizer Gletscher seit den 1980er Jahren führt zwischenzeitlich zu einer zusätzlichen Wasserversorgung der Stauseen. Eine kürzlich durchgeführte Studie quantifizierte den durch den Gletscherschwund bedingten Produktionsüberschuss auf durchschnittlich 1,4 TWh pro Jahr, was 4% der gesamten Wasserkraftproduktion des Landes entspricht. Der Wasserzufluss in die Stauseen durch Gletscher-Schmelzwasser dürfte sich jedoch bis 2070-2090 stark verringern (Abb. 5). Wie sich der Gletscherrückgang im Laufe der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts entwickeln wird, bleibt ungewiss. Bis dahin werden die kleineren Gletscher wahrscheinlich komplett verschwunden sein, und die grösseren werden sich weiter in die Höhe zurückgezogen haben, wo sie vergleichsweise weniger schmelzen. Dies dürfte die durch Gletscherschmelze bedingte Stromproduktion auf etwa 0,4 TWh jährlich reduzieren, beziffert die Studie. Der prognostizierte Rückgang, rund 1 TWh, entspricht 2,5 % des gesamten Stroms aus Wasserkraft, der in der Energiestrategie 2050 vorgesehen ist.
Für die Kraftwerke im Wallis, die 9 % ihres Stroms durch die Gletscherschmelze produzieren, prognostiziert die zitierte Studie einen Rückgang um die Hälfte, allerdings später als für die anderen Regionen des Landes, was auf die grosse Höhe der Stauseen und die Grösse der betroffenen Gletscher zurückzuführen ist (Abb. 5).
Die Studie zeigt, dass der Gletscherschwund zu einem leichten Rückgang der Produktivität von Stauseen führen wird, und dass andere Faktoren, wie die Umsetzung des Gewässerschutzgesetzes bei der Erneuerung von Konzessionen, ebenfalls berücksichtigt werden müssen. Letztere liegt in der gleichen Grössenordnung wie die mit dem Gletscherschwund verbundenen Produktionseinbussen. Der in der Energiestrategie 2050 vorgesehene Ausbau der Wasserkraftkapazität dürfte jedoch den erwarteten Produktionsrückgang ausgleichen.