Vergletscherte Felswände und Hängegletscher (siehe Factsheet Gletscher 1.3) sind glaziale Formen, die darauf hindeuten, dass die Temperatur an ihrer Basis unter 0 °C liegt (Permafrost).
Die entscheidenden Faktoren für die Entwicklung der vergletscherten Felswände sind die Wetterbedingungen (Schneefall und Temperaturen) während des Frühlings und Sommers (insbesondere von Mai bis Juli). Tatsächlich scheint es so zu sein, dass sich der Schnee in diesen Wänden nicht im Winter (November bis März) ansammelt. Aufgrund der niedrigen Temperaturen bleibt er pulvrig und kann nicht an der Wand haften, sondern wird ständig von Winden und Lawinen wegtransportiert. Die Eisbildung (durch Gefrieren) findet daher hauptsächlich im Sommer statt, wenn der Schnee tagsüber durch die Sonneneinstrahlung und die höheren Temperaturen feucht werden kann, um dann nachts wieder zu gefrieren. Studien zu diesem Thema sind in den Alpen jedoch selten.
Seit dem Ende der Kleinen Eiszeit (1850) haben die Hängegletscher kontinuierlich an Fläche und Volumen verloren, mit einer beschleunigten Tendenz seit den 1990er Jahren.
Durch das anhaltende Verschwinden der Eisbedeckung in den vergletscherten Felswänden (Abb. 2) ändern sich die (thermischen) Bedingungen an und unter der Felsoberfläche drastisch: Es kann zur Bildung einer oberflächlichen Auftauschicht kommen. Fehlt das Eis in den steilen Felswänden, sind diese nicht mehr vor mechanischen und thermischen Erosionseinwirkungen geschützt. Das zerklüftete Gestein taut oberflächlich auf, was zu einer markanten Häufung von Steinschlägen führt (Abb. 3).
Fig. 1 – Paroi glaciaire et sérac suspendu dans le versant nord de l’Aiguille d’Argentière (VS).
Abb. 1: Vergletscherte Felswand und Hängegletscher in der Nordflanke der Aiguille d’Argentière (VS).
Fig. 2 – Evolution de la face nord du Mont-Blanc de Cheillon (VS) durant le 20ème siècle. En 1950, à la suite d’une série d’été chauds et secs, la face apparaissait libre de glace (un glacier de paroi est cependant présent). Depuis lors une carapace de glace s’est reformée, se maintenant jusqu’à la fin des années 1980. Actuellement, seul un petit glacier occupe la partie inférieure de la face.
Abb. 2: Entwicklung der Nordwand des Mont-Blanc de Cheillon (VS) während des 20. Jahrhunderts. Im Jahr 1950 erschien die Wand nach einer Reihe von heissen und trockenen Sommern eisfrei (mit Ausnahme einer kleinen Restvereisung in der Mitte der Felswand sowie einem Hängegletscher im unteren Wandbereich). Bis zum Ende der 1980er Jahre vergrösserte sich die vereiste Fläche der vergletscherten Felswand wieder. Heute ist nur noch der Hängegletscher im unteren Bereich der Felswand vorhanden, ansonsten ist Letztere komplett eisfrei.
Fig. 3 – La face nord du Portalet (VS) semble avoir perdu sa carapace de glace dans la dernière partie du 20ème siècle. Aujourd’hui, la paroi n’est plus protégée par de la glace. La roche fracturée dégèle, provoquant d’incessantes chutes de pierres qui viennent s’amonceler sur la rive droite du glacier d’Orny.
Abb. 3: Die Nordwand des Portalet (VS) scheint seine Eisbedeckung in der letzten Hälfte des 20. Jahrhunderts verloren zu haben. Heute ist die Felswand nicht mehr durch Eis geschützt. Das zerklüftete Gestein taut auf und verursacht kontinuierlich Steinschläge, deren Ablagerungen sich am rechten Rand des Orny-Gletschers anhäufen.